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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Ohr, dachte er, den Mumm, den der Verrat des Abtrünnigen bewiesen, noch etwas anstacheln und in die richtige Richtung lenken, und es ist möglich, daß Kiyama seine Legionen nimmt und sofort mit Feuer und Schwert über Onoshi herfällt. »Gyoko ist ganz sicher, Euer Gnaden. Der Priesterschüler sagte, Herr Onoshi habe ihm im Beichtstuhl anvertraut, er habe mit Ishido einen Geheimvertrag gegen einen anderen christlichen Daimyo geschlossen, und bittet dieserhalb um Absolution. In diesem Vertrag ist folgendes feierlich festgelegt worden: Als Gegenleistung dafür, daß er ihn jetzt unterstützt, verspricht Ishido, daß sein Mitchrist an dem Tag, da Ihr tot seid, wegen Verrats abgesetzt und aufgefordert wird, in die Große Leere einzugehen, ihn, wenn nötig, sogar mit Gewalt dazu zu bringen. Damit würden Onoshis Sohn und Erben alle diese Lehen zufallen. Der Name des Christen wurde nicht genannt, Euer Gnaden.«
    Kiyama oder Harima? fragte Toranaga sich. Es spielt keine Rolle. Für mich muß es Kiyama sein.
    Als er sich erhob, hatte er trotz seines Frohlockens weiche Knie. Er tastete sich zu einem der Fenster vor und lehnte sich schwer atmend gegen die hölzerne Fensterbank. Er sah blinzelnd zum Mond hinüber und in den Himmel dahinter. Die Sterne waren matt. Regenwolken ballten sich zusammen. »Buddha, alle Götter, wer Ihr auch immer seid, laßt meinen Bruder nach diesem Köder schnappen … und gebt, daß diese Geheimnisse, die diese Frau mir zugeflüstert hat, wahr sind!«
    Es erschien keine Sternschnuppe, um zu bezeugen, daß diese Nachricht von den Göttern bestätigt würde. Weder erhob sich ein Wind, noch schob sich eine Wolke plötzlich vor die Mondsichel. Aber selbst, wenn ein himmlisches Zeichen dagewesen wäre, er hätte es als Zufall abgetan.
    Er wußte, daß die ungeheure Spannung, unter der er stand, sich nach außen hin bemerkbar machte. Dabei war es von allergrößter Wichtigkeit, daß keiner aus seinem engsten Kreis oder von seinen Vasallen auch nur für einen Augenblick argwöhnte, daß er die Kapitulation und die Rolle des Geschlagenen nur spielte. In Yokosé hatte er blitzartig erkannt, daß die einzige, winzige Chance, doch noch mit dem Leben davonzukommen, darin bestand, jeden davon zu überzeugen, er hätte sich vollkommen mit der Niederlage abgefunden, wiewohl das in Wahrheit nur eine Tarnung war, um Zeit zu gewinnen und mit jenem lebenslangen Spiel weiterzumachen, das aus Verhandlungen, Verzögerungen und scheinbaren Rückziehern bestand, immer geduldig abzuwarten, bis sich ein Riß im Panzer über der Halsschlagader des Gegners auftat, um dann blitzschnell und tückisch mit dem Dolch zuzustoßen.
    Seit Yokosé hatte er die Tage und Nächte in Einsamkeit verbracht, aber es war ihm immer schwerer geworden, allein zu bleiben. Keine Jagd und kein Lachen, kein Pläneschmieden, kein Schwimmen, keine Ausgelassenheit und kein Tanzen und Singen in den Nōh-Spielen, die er sein Leben lang geliebt. Immer nur dieselbe einsame Rolle, diejenige, die ihm im Leben am schwersten fiel: die des Niedergeschlagenen, Aufgebenden, Unentschlossenen, des offenkundig Hilflosen – und dazu noch das selbstauferlegte halbe Fasten.
    Daß es ihm bisher so gut gelungen war, diese Rolle zu spielen, freute ihn, brachte ihn gleichzeitig aber auch zur Verzweiflung. Wie konnten die Menschen nur so leichtgläubig sein?
    Dank den Göttern, daß die Menschen so leichtgläubig sind, sagte er sich. Dadurch, daß du die ›Niederlage‹ anerkanntest, hast du einen Krieg vermieden. Du sitzt zwar immer noch in der Falle, aber jetzt endlich scheint deine Geduld Früchte zu tragen. Du hast eine Chance.
    Vielleicht hast du eine Chance, verbesserte er sich.
    Seine Brust fing an, ihn zu schmerzen. Er fühlte sich matt und schwindlig, daher setzte er sich nieder und holte tief Atem, wie seine Zen-Lehrer es ihn vor Jahren gelehrt. »Zehn tiefe Atemzüge, zehn ganz langsame, zehn tiefe, zehn ganz langsame, schicke deinen Geist in die Leere. Es gibt weder Vergangenheit noch Zukunft, weder Heiß noch Kalt, weder Schmerz noch Freude … von nichts, in nichts …«
    Bald darauf konnte er wieder klar denken. Er trat an seinen Schreibtisch heran und fing an zu schreiben. Er bat seine Mutter, als Vermittlerin zwischen ihm und seinem Halbbruder zu fungieren und ihm ein Angebot zu unterbreiten, das die Zukunft ihres Klans betreffe. Zunächst ersuchte er seinen Bruder, eine Heirat mit der Dame Ochiba zu erwägen: »… für mich wäre es

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