Shogun
selbstverständlich undenkbar, das zu tun, Bruder. Allzu viele Daimyos würden sich über meinen ›Ehrgeiz‹ empören, wohingegen eine solche Verbindung mit Euch den Frieden des Reiches festigen und die Nachfolge Yaemons bestätigen würde. Niemand würde Eure Treue anzweifeln, wohl aber – was ein Irrtum ist – die meine. Selbstverständlich könntet Ihr eine geeignetere Gemahlin bekommen, sie aber kaum einen besseren Gemahl. Sobald die Männer beseitigt sind, die Seine Kaiserliche Hoheit verraten haben, und ich den mir rechtmäßig zustehenden Platz als Vorsitzender des Regentschaftsrats wieder einnehme, werde ich den Sohn des Himmels bitten, um eine solche Ehe nachzusuchen, falls Ihr bereit wäret, eine solche Bürde auf Euch zu nehmen. Ich bin aufrichtig davon überzeugt, daß einzig dieses Opfer uns beiden die Möglichkeit eröffnet, die Frage der Nachfolge zu sichern und dem Taikō gegenüber unsere Pflicht zu tun, wie wir es geschworen haben. Zweitens trage ich Euch die Herrschaftsgebiete der christlichen Verräter Kiyama und Onoshi an, die im Augenblick gemeinsam mit den Barbarenpriestern einen verräterischen Krieg gegen alle nichtchristlichen Daimyos planen, und zwar unterstützt durch eine Landung von musketenbewaffneten Barbaren, wie sie es schon einmal unserem Lehnsherrn, dem Taikō , gegenüber getan haben. Des weiteren trage ich Euch die Lehen sämtlicher anderer Kyushuer Christen an, die in dieser letzten Schlacht auf Ishidos Seite gegen mich kämpfen. Und als Gegenleistung für das oben Erwähnte nichts weiter als dies, Bruder: Ein Geheimbündnis zwischen uns jetzt, garantierter sicherer Durchzug meiner Armeen durch die Berge von Shinano sowie ein gemeinsamer Angriff unter meiner Führung auf Ishido, zu einem Zeitpunkt und auf eine Weise, die ich bestimme. Zuletzt, als Zeichen meines Vertrauens, werde ich sofort meinen Sohn Sudara, seine Gemahlin, die Dame Genjiko und ihre Kinder, darunter meinen einzigen Enkelsohn, zu Euch nach Takato schicken …«
Das ist nicht das Werk eines Geschlagenen, sagte Toranaga sich, als er die Schriftrolle versiegelte. Zataki wird das sofort erkennen. Aber was mache ich, wenn die Geheimnisse einen Köder darstellen, mich in die Falle zu locken?
Stimmt es auch wirklich, daß Zataki die Dame Ochiba begehrt? Könnte Gyoko zu ihrem eigenen Vorteil lügen, diese unverfrorene Blutsaugerin? Samurai! Das also ist der Schlüssel, an alle ihre Geheimnisse heranzukommen.
Sie muß Beweise gegen Mariko und den Anjin-san in der Hand haben. Warum sonst sollte Mariko mit einem solchen Ansinnen an mich herantreten? Toda Mariko und der Barbar! Der Barbar und Buntaro! Eeeee, spielt das Leben sonderbar!
Ein weiterer stechender Schmerz über seinem Herzen ließ ihn zusammenfahren. Nach einer Weile schrieb er die Botschaft für die Brieftaube; dann kletterte er die Leiter zum Taubenschlag hinauf. Sorgsam wählte er eine Takato-Taube aus einem der vielen Verschläge und befestigte den winzigen Zylinder an ihrem Fuß. Dann setzte er die Taube auf die Stange vors Flugloch.
In dieser Botschaft bat er seine Mutter um die Zusicherung freien Geleits für Buntaro, der eine wichtige Nachricht für sie und seinen Bruder überbringe. Unterzeichnet hatte er sie genauso wie das Angebot an seinen Bruder mit Yoshi Toranaga-noh-Minowara.
»Fliege sicher und laß dich nicht beirren, kleiner Vogel«, sagte er und streichelte sie mit einer herausfallenden Feder. »Was du da trägst, ist ein Erbe für tausend Jahre.«
Abermals richtete er den Blick auf die Stadt unten. Am westlichen Horizont war nur noch ein ganz kleiner Streifen Licht zu erkennen. Unten im Hafen sah er die Fackeln, wie Nadelstiche so klein, die das Barbarenschiff umgaben.
Dort liegt noch ein Schlüssel, dachte er und begann abermals, über die drei Geheimnisse nachzudenken. Er wußte, daß ihm irgend etwas entgangen war.
»Ach, wäre doch nur Kiri hier«, sagte er zu der Nacht.
Mariko kniete vor ihrem polierten Metallspiegel. Sie wandte den Blick von ihrem Spiegelbild. In der Hand hielt sie ein Stilett, das im flackernden Licht der Öllampe schimmerte.
»Ich sollte dich benutzen«, sagte sie voll Kummer. Ihre Augen suchten die Madonna und das Kind in der Tokonoma und füllten sich mit Tränen. »Ich weiß, Selbstmord ist eine Todsünde, aber was soll ich tun? Wie soll ich diese Schande ertragen? Es ist besser für mich, ich tue es, ehe ich verraten werde.«
Das Zimmer war still wie das ganze Haus. Es war das Haus der Toda,
Weitere Kostenlose Bücher