Shogun
jedoch verständnisvoll bei den Schultern. Ich muß herausfinden, was der Arzt für Mittel benutzt hat, dachte er aufgeregt. Einen so raschen und vorzüglichen Heilungsprozeß habe ich noch nie erlebt. Warte – würde nicht jeder Kapitän dieses Geheimnis mit Gold aufwiegen? Damit könntest du ein Vermögen verdienen! Ja. Aber nicht auf diese Weise, sagte er sich, niemals so. Nie aus den Schmerzen eines Seemanns.
Sie kann immerhin von Glück sagen, daß es nur die Rückseite ihrer Beine und ihren Rücken erwischt hat und nicht ihr Gesicht. Er betrachtete ihr Antlitz. Es war immer noch eckig und flach wie eh und je, ihre Zähne immer noch genauso scharf und frettchenhaft; aber die Wärme, die ihre Augen ausstrahlten, machten die Häßlichkeit mehr als wert. Er drückte sie noch einmal an sich. »Aber, aber! Nicht weinen! Befehl!«
Er ließ die Zofe Cha und Saké und viele Kissen bringen und half Fujiko, sich darauf auszustrecken, sosehr es sie auch anfangs in Verlegenheit brachte, seinem Befehl zu gehorchen. »Wie kann ich Euch danken?« sagte sie.
»Kein Dank! Gebe nur zurück …« Blackthorne überlegte einen Augenblick, konnte jedoch nicht das japanische Wort für ›Gefallen‹ und ›sich erinnern‹ finden. Daher holte er das Wörterbuch hervor und schlug nach. ›Gefallen: O-negai … sich erinnern: omoi dasu ‹.
» Hai, omoi dasu o-negai ! Omi desu ka? – Mache gut – Gefallen. Ihr erinnert Euch?« Er hielt die Fäuste hoch, tat, als hielte er Pistolen darin, die nach vorn zielten. »Omi-san – Ihr erinnert Euch?«
»Ach, selbstverständlich«, rief sie. Und dann bat sie ihn völlig fassungslos, sich das Buch ansehen zu dürfen.
Bald darauf schlug die riesige Glocke des Bergfrieds die Stunde der Ziege, und die Tempel Yedos gaben mit ihrem Geläut gleichsam Antwort.
»Ich gehe jetzt. Gehe Toranaga-sama.« Er steckte das Buch in seinen Ärmel.
»Ich werde bitte hier warten, wenn Ihr erlaubt?«
»Wo wohnen?«
Sie streckte den Finger aus. »Ach, da, mein Zimmer nebenan. Bitte, verzeiht, daß ich so plötzlich hier aufgetaucht …«
»Langsam. Sprecht langsam. Einfache Wörter gebrauchen!«
Langsam wiederholte sie es und fügte noch mehr Entschuldigungen hinzu. »Gut«, sagte er. »Gut. Wir sehen uns später.«
Sie wollte sich erheben, doch er schüttelte den Kopf und trat in den Hof hinaus. Der Himmel hatte sich mittlerweile bezogen, und die Luft war so drückend, daß man kaum atmen konnte. Die Wachen erwarteten ihn schon. Bald stand er im Vorhof des Bergfrieds.
Mariko wartete bereits, schlanker denn je, noch ätherischer, und ihr Gesicht alabastern unter dem Rotgold ihres Schirms. Sie trug einen dunkelbraunen Kimono, dessen Säume grün abgesetzt waren.
»Ohayo, Anjin-san. Ikaga desu ka?« fragte sie und verneigte sich förmlich. Er sagte ihr, daß es ihm gutgehe, und versuchte, möglichst lange japanisch zu sprechen; ins Portugiesische fielen sie nur dann, wenn er müde war oder wenn sie etwas besprechen wollten, was nur sie beide anging.
»Sie …«, sagte er vorsichtig, als sie die Treppen des Bergfrieds hinaufstiegen.
»Er«, kam es wie ein Echo von Mariko, und sie verfiel mit derselben Ernsthaftigkeit ins Portugiesische wie gestern. »Verzeiht, bitte, heute kein Latein, Anjin-san. Latein paßt heute nicht – das Lateinische kann jetzt nicht den Zweck erfüllen, für den es gemacht wurde, neh?«
»Wo kann ich Euch sprechen?«
»Das ist sehr schwierig, tut mir leid. Ich habe Pflichten …«
»Es ist doch hoffentlich alles in Ordnung?«
»O ja«, erwiderte sie. »Verzeiht, aber was sollte nicht in Ordnung sein? Es ist alles in Ordnung.«
Schweigend stiegen sie eine weitere Treppe hinauf. Ihre Pässe wurden kontrolliert wie immer. Wachen gingen ihnen voran und folgten ihnen. Der Regen setzte mit Macht ein, es goß wie aus Kübeln und machte die Luftfeuchtigkeit erträglicher.
»Jetzt wird es stundenlang regnen«, sagte er.
»Ja. Aber ohne den Regen gibt es keinen Reis. Bald werden die Regenfälle ganz aufhören, in zwei oder drei Wochen, und dann wird es bis zum Herbst nur heiß und feucht sein.«
Sie schaute zum Fenster hinaus in den Wolkenbruch. »Der Herbst wird Euch gefallen, Anjin-san.«
»Ja.« Er sah zu der in der Ferne gerade eben noch erkennbaren Erasmus hinüber. Dann hüllte der Wolkenbruch das Schiff ein, und er stieg ein paar Stufen weiter. »Wenn wir mit Herrn Toranaga fertig sind, werden wir das Ende des Regens abwarten müssen. Vielleicht könnten wir
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