Shogun
kämpfen verloren und sich daher den Kopf geschoren hatte, um buddhistischer Mönch zu werden, und jetzt Mitglied von Toranagas Zivilverwaltung war, sagte zwar nichts, ließ jedoch aus trotziger Angst, die er verzweifelt zu verbergen trachtete, den Kopf hängen.
»Wovor habt Ihr Angst, Numata-san?«.
»Vor nichts, Euer Gnaden«, sagte der Mann mit niedergeschlagenen Augen.
»Gut! Dann geht und begeht Seppuku, denn Ihr seid ein Lügner, und Eure Angst breitet sich aus wie ein Pesthauch.«
Der Mann stieß einen winselnden Ton aus und wankte hinaus. Angst beschlich sie alle. Toranaga ließ sie nicht aus den Augen und wartete.
Die Luft wurde noch drückender, das leichte Knistern der Fackeln kam ihnen unnatürlich laut vor. Dann, da er wußte, daß seine Pflicht und sein Verantwortungsbewußtsein es geboten, drehte Sudara sich um und verneigte sich. »Euer Gnaden, darf ich in aller Ehrerbietung eine Erklärung abgeben?«
»Was für eine Erklärung?«
»Euer Gnaden, ich glaube, es gibt keinen Verräter mehr unter uns …«
»Ich teile Eure Meinung nicht!«
»Bitte, verzeiht, Euer Gnaden, Ihr wißt, daß ich Euch gehorche. Wir alle werden Euch gehorchen. Wir trachten ja nur danach, das Beste für Eure …«
»Das Beste ist, was ich entscheide. Was ich entscheide, ist das Beste!«
Hilflos verneigte Sudara sich. Toranaga ließ die Augen nicht von ihm. Sein Blick war erbarmungslos. »Ihr seid mein Erbe nicht mehr!«
Sudara erbleichte. Dann brachte Toranaga die Spannung im Raum zur Entladung, indem er rief: »Ich bin der Lehnsherr hier!«
Er wartete einen Moment, und dann, in tödlichem Schweigen, erhob er sich und marschierte hochfahrend hinaus. Die Tür schloß sich hinter ihm. Ein großer Seufzer ging durch den Raum. Hände suchten ohnmächtig nach ihren Schwertgriffen. Aber niemand verließ seinen Platz.
»Heute morgen … heute morgen … hörte ich von unserem Oberkommandierenden«, hob Sudara zuletzt an. »Herr Hiro-matsu wird in ein paar Tagen hier sein … sprecht mit ihm. Seid ruhig, faßt euch in Geduld und bleibt unserem Lehnsherrn treu. Laßt uns gehen und General Serata Kiyoshio die letzte Ehre erweisen …«
Toranaga stieg die Treppen hinauf. Unendliche Verlassenheit drückte ihn nieder. Als er fast oben angelangt war, blieb er stehen und lehnte sich für einen Augenblick schwer atmend gegen die Mauer. Der Schmerz wollte seine Brust zerreißen, und er versuchte, ihn durch Reiben zu vertreiben.
Er ging weiter. Er wußte, daß er jetzt in größter Gefahr schwebte. Verrat und Angst waren ansteckend und mußten in demselben Augenblick, da sie sich zeigten, mitleidlos ausgemerzt werden. Aber selbst dann noch konnte man nicht sicher sein, ob man sie wirklich mit Stumpf und Stiel ausgerottet hatte. Der Kampf, auf den er sich eingelassen, war kein Kinderspiel. Die Schwachen mußten den Starken zum Fraß vorgeworfen werden, die Starken als Faustpfand für die Stärksten herhalten. Wenn Sudara jetzt in aller Öffentlichkeit seinen Titel verlangte, dann konnte er, sein Vater, ihn nicht daran hindern. Bis Zataki antwortete, mußte er warten.
Toranaga schloß die Tür hinter sich, verriegelte sie und trat dann ans Fenster. Unten konnte er seine Generäle und Ratgeber schweigend davongehen und ihre Häuser außerhalb der Mauern des Bergfrieds aufsuchen sehen. Jenseits der Burgwälle lag die Stadt, fast ganz und gar in Dunkelheit gehüllt. Der Mond am Himmel war blaß und von Dunst umflossen. Es war eine brütende, finstere Nacht. Ihm war, als ob das Unheil über den Himmel ging.
50. Kapitel
Blackthorne saß allein in der Morgensonne in einer Ecke des Gartens seines Gästehauses; er hatte das Wörterbuch auf dem Schoß und träumte offenen Auges. Es war ein schöner, wolkenloser Tag, der erste seit vielen Wochen – und der fünfte Tag, seitdem er Toranaga gesehen. Die ganze Zeit über hatte er die Burg nicht verlassen dürfen, hatte er weder Mariko noch sein Schiff, noch seine Mannschaft sehen oder auf Entdeckungsreisen durch die Stadt ziehen, auf die Jagd gehen oder ausreiten können. Einmal am Tag ging er zusammen mit anderen Samurai in einem der Wallgräben schwimmen, und um sich die Zeit zu vertreiben, hatte er einigen das Schwimmen und Tauchen beigebracht. Doch damit wurde ihm das Warten keineswegs leichter.
»Es tut mir so leid, Anjin-san, aber es geht allen so«, hatte Mariko gestern gesagt, als er sie zufällig in diesem Teil der Burg getroffen hatte. »Selbst Herr Hiro-matsu muß warten.
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