Shogun
siebenundvierzig Positionen. Einige davon sehen schon erstaunlich und äußerst schwierig aus, aber sie sagt, es sei wichtig, sie alle auszuprobieren … Warum lacht Ihr?«
»Ihr lacht … warum sollte ich da nicht auch lachen?«
»Aber ich habe doch nur gelacht, weil Ihr kichertet und ich spürte, wie Euer Bauch hüpft und Ihr mich nicht aufstehen lassen wollt. Bitte, laßt mich aufstehen, Anjin-san.«
»Ach, aber Ihr dürft nicht böse sein, Mariko, Geliebte. Keine Frau auf der ganzen Welt kann, wenn sie auch nur ein ganz kleines bißchen böse ist …«
»Aber, Anjin-san, bitte, Ihr müßt mich aufstehen lassen. Ich möchte Euch etwas zeigen.«
»Na schön. Wenn es unbedingt …«
»O nein, Anjin-san, bitte, Ihr wollt ja nicht … Ihr müßt nicht … Könnt Ihr nicht einfach dort hinübergreifen … Bitte, noch nicht … Ach, bitte, verlaßt mich nicht … Ach, wie sehr ich Euch liebe …«
Blackthorne erinnerte sich an dieses eine Mal ganz besonders. Mariko hatte ihn mehr erregt als Kiku, und Fujiko konnte es mit keiner von beiden aufnehmen. Und Felicity?
Ah, Felicity, dachte er und konzentrierte sich auf sein eines großes Problem. Es muß Wahnsinn sein, Mariko und Kiku zu lieben. Und doch … In Wahrheit ist es doch so, daß Felicity es jetzt nicht einmal mit Fujiko aufnehmen kann. Fujiko war sauber. Arme Felicity. Ich werde es nie fertigbringen, es ihr zu sagen. Aber wenn ich daran denke, wie wir beide wie die Karnickel im Heu lagen oder unter einer muffigen Decke, bekomme ich eine Gänsehaut. Jetzt weiß ich es besser. Jetzt könnte ich es ihr beibringen – aber ob sie es überhaupt lernen möchte? Und wie könnten wir jemals sauber werden, sauber leben?
»Denkt jetzt nicht an das Zuhause, Anjin-san«, hatte Mariko ihm einst gesagt, als trübe Gedanken ihn befallen hatten. »Das wirkliche Zuhause ist hier … das andere ist zehn Millionen Stäbchen Zeit weit weg. Dies hier ist die Wirklichkeit. Hört, wenn Ihr Wa , inneren Frieden, erlangen wollt, dann müßt Ihr lernen, aus einer leeren Schale Cha zu trinken.«
Sie hatte ihm gezeigt, wie man das macht. »Ihr denkt die Wirklichkeit in die Schale hinein, Ihr denkt, dort ist der Cha, der blaßgrüne Göttertrank. Wenn Ihr Euch sehr, sehr konzentriert … Ach, ein Zen-Lehrer könnte es Euch zeigen, Anjin-san. Dann könnten alle Dinge in der Welt Euch gehören, Ihr brauchtet nur zu wollen … selbst die unerreichbarste aller Gaben … vollkommene Ruhe.« Er hatte es viele Male versucht, aber er hatte es nie geschafft, Cha zu trinken, wenn kein Cha da war.
»Macht nichts, Anjin-san. Es bedarf langer, langer Übung, aber irgendwann einmal werdet Ihr es lernen.«
»Gelingt es Euch?«
»Selten. Nur in Augenblicken großer Traurigkeit oder Einsamkeit. Aber der Geschmack des Cha, der nicht ist, scheint dem Leben einen Sinn zu geben. Manchmal erlangt man die Wa einfach dadurch, daß man es versucht.«
Jetzt, wo er in der Dunkelheit der Burg dalag und der Schlaf so fern war, zündete er mit einem Feuerstein eine Kerze an und konzentrierte sich auf die kleine Porzellanschale, die Mariko ihm gegeben und die er fürderhin stets neben seinem Bett stehen hatte. Eine ganze Stunde lang versuchte er es. Aber er konnte seinen Geist nicht läutern. Er konnte es nicht verhindern, daß seine Gedanken einander jagten: Ich möchte fort, ich möchte bleiben. Ich habe Angst davor zurückzukehren. Ich habe Angst davor zu bleiben. Ich hasse beides und will doch beides. Und dann sind da die Eta.
Wenn es nur an mir läge, würde ich nicht fortwollen. Noch nicht. Aber es geht auch noch um andere, und sie sind keine Eta, und ich habe als Pilot angeheuert! Ich will Mariko, ich möchte das Land sehen, das Toranaga mir gegeben – ich muß einfach hierbleiben und die Frucht meines Glücks jedenfalls noch ein wenig länger genießen. Ja. Und außerdem geht es auch um die Pflicht, und die geht über alles, neh?
Als der Morgen graute, wußte Blackthorne, daß er, wiewohl er so tat, als ob er die Entscheidung wieder einmal hinausgeschoben hätte, sich in Wirklichkeit entschieden hatte. Unwiderruflich.
So wahr mir Gott helfe, zunächst und vor allem bin ich Pilot.
Toranaga rollte den winzigen Papierstreifen auseinander, der zwei Stunden nach Sonnenaufgang eingetroffen war. Die Nachricht von seiner Mutter lautete schlicht: »Euer Bruder ist einverstanden, mein Sohn. Sein eigenhändiger Bestätigungsbrief geht heute noch ab. Der Staatsbesuch von Herrn Sudara und
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