Shogun
bis auf meinen Christen, und ihn und sein Schiff gedenke ich demnächst sehr klug einzusetzen. Was ich aber vor allem brauche, ist Zeit … Ich habe Verbündete und heimliche Freunde im ganzen Reich, und wenn ich Zeit habe … Jeder Tag, den ich gewinne, schwächt Ishido weiter. Das ist mein Schlachtplan. Jeder Tag Verzögerung ist wichtig. Hört, nach der Regenzeit wird Ishido gegen den Kwanto vorgehen und ihn in die Zange nehmen, wobei Ikawa Jikkyu nach Süden vorstößt und Zataki nach Norden. Wir halten Jikkyu in Mishima auf und ziehen uns dann bis zum Hakoné-Paß oder Odawara zurück, wo wir uns dann dem Entscheidungskampf stellen. Im Norden werden wir tief in den Bergen an der Koshu-kaidō-Straße Zataki aufhalten, irgendwo in der Nähe von Mikawa. Die erste Angriffswelle können wir aufhalten, und dann sollte es eigentlich keine größere Invasion mehr geben: Wir kämpfen und warten hinter unseren Bergen. Und dann, wenn die Frucht reif ist – ›Blutiger Himmel‹.«
»Eeeee … möge der Tag bald kommen!«
»Hört zu, alter Freund: Nur Ihr allein könnt meine Generäle in Schach halten. Solange der Kwanto einig bleibt, können wir den ersten Angriff abwehren. Dann werden Ishidos Bündnisse schon anfangen auseinanderzufallen. Sobald das geschieht, ist Yaemons Zukunft gesichert und der Wille des Taikō durchgesetzt.«
»Ihr werdet nicht allein die Macht übernehmen, Euer Gnaden?«
»Zum allerletzten Mal: ›Das Gesetz mag die Vernunft ins Wanken bringen, niemals jedoch die Vernunft das Gesetz, sonst zerfällt unsere gesamte Gesellschaft wie ein abgewetzter Tatami. Das Gesetz kann dazu benutzt werden, die Vernunft zu erschüttern, aber die Vernunft darf nie dazu dienen, das Gesetz umzustoßen.‹ Der Wille des Taikō ist Gesetz.«
Hiro-matsu verneigte sich und gab sein Einverständnis zu verstehen. »Sehr wohl, Euer Gnaden. Ich werde es niemals wieder erwähnen. Bitte, verzeiht mir. Jetzt …« Ein Lächeln umspielte seinen Mund. »Und jetzt: Was soll ich tun?«
»Tut so, als ob Ihr mich dazu überredet hättet, die Abreise aufzuschieben. Haltet sie nur alle fest in Eurer eisernen Faust.«
»Wie lange muß ich den Schein aufrechterhalten?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich traue mir da selbst nicht, Euer Gnaden. Ich könnte, ohne es zu wollen, einen Fehler machen. Ein paar Tage lang, glaube ich, kann ich die Freude schon von meinem Gesicht verbannen. Wenn Ihr gestattet, könnten meine ›Schmerzen‹ so unerträglich werden, daß ich ans Bett gefesselt wäre – keine Besucher, neh?«
»Gut. Beginnt damit in vier Tagen. Laßt von heute an durchblicken, daß die Schmerzen schlimmer werden. Das dürfte nicht sonderlich schwierig sein, neh?«
»Nein, Euer Gnaden. Tut mir leid. Ich bin froh, daß die Schlacht noch dieses Jahr beginnt. Im nächsten … könnte sein, daß ich dann nicht mehr in der Lage sein werde zu helfen.«
»Unsinn. Aber es wird noch in diesem Jahr geschehen, ob ich will oder nicht. In sechzehn Tagen werde ich von Yedo aus nach Osaka aufbrechen. Bis dahin werdet Ihr ›zögernd‹ Euer Einverständnis dafür geben und den Marsch anführen. Nur wir beide, Ihr und ich, wissen, daß es weitere Verzögerungen geben wird und daß ich lange, ehe ich meine Grenzen erreiche, wieder umkehre nach Yedo.«
»Bitte, verzeiht, daß ich an Euch gezweifelt habe.«
»Wenn Ihr nicht überzeugt gewesen wäret, alter Freund, hätten Ishido und Zataki die Finte durchschaut. Ach, übrigens, wie ging es Buntaro-san, als Ihr ihn saht?«
»Er kochte, Euer Gnaden. Es wird gut sein, wenn er endlich wieder eine Schlacht schlagen kann.«
»Hat er vorgeschlagen, mich als Lehnsfürsten abzusetzen?«
»Wenn er das auch nur angedeutet hätte, würde ich seinen Kopf genommen haben. Auf der Stelle.«
»Ich werde Euch in drei Tagen wieder rufen lassen. Bittet täglich um eine Audienz, aber bis dann werde ich sie immer ablehnen.«
»Jawohl, Euer Gnaden.« Der alte General verneigte sich unterwürfig. »Bitte, verzeiht einem alten Narren. Ihr habt meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Ich danke Euch.« Mit diesen Worten verabschiedete er sich.
Toranaga holte den kleinen Papierstreifen aus seinem Ärmel und las die Nachricht von seiner Mutter mit großer Genugtuung nochmals durch. Jetzt, wo die Nordroute ihm möglicherweise offenstand und Ishido dort verraten werden konnte, standen die Dinge schon wesentlich besser für ihn. Er überantwortete das Papier den Flammen. Der Streifen krümmte sich und wurde zu
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