Shogun
in ganz Izu. Und wiewohl Omi überzeugt war, daß sie den Kurtisanen selbst der Zweiten Kategorie in Yedo, Osaka oder Kyoto nicht das Wasser reichen könne, stellte sie hier eine einsame Spitze dar, war sie zu Recht stolz und wählerisch. Obwohl er mit ihrer Arbeitgeberin, der Mama-san Gyoko, übereingekommen war, das Fünffache des üblichen Preises zu zahlen, war er sich immer noch nicht sicher, daß Kiku bleiben würde. Jetzt sah er zu, wie ihre geschickten Finger den Nacken seiner Mutter bearbeiteten. Sie war wunderschön, sehr zierlich, ihre Haut nahezu durchsichtig und weich. Für gewöhnlich war sie überschäumend vor Lebensfreude. Aber wie konnte ein solches Spielzeug glücklich sein unter dem Druck der Schreie, fragte er sich. Es bereitete ihm Vergnügen, ihr zuzusehen, er genoß das Wissen um ihren Körper und um ihre Wärme … Unversehens hörten die Schreie auf.
Omi horchte mit halboffenem Mund und wartete. Er bemerkte, daß auch Kikus Finger aufgehört hatten zu arbeiten, ohne daß seine Mutter sich darüber beschwert hätte. Auch sie lauschte angestrengt.
»Omi-san!« rief Yabu schließlich.
Omi erhob sich, trat auf die polierte Veranda hinaus und verneigte sich. »Ihr habt gerufen, Herr?«
»Seht nach, was geschehen ist!«
Abermals verneigte Omi sich, schritt dann durch den Garten und trat auf den säuberlich gepflasterten Pfad, der vom Hügel zum Dorf hinunterführte und weiterging bis ans Ufer. Weit unten konnte er in der Nähe eines der Landeplätze ein Feuer erkennen und daneben Männer. Und auf dem Dorfplatz, der auf das Wasser hinausging, die Falltür zum Keller mit den vier Wächtern.
Während er zum Dorf hinunterging, sah er, daß das Schiff der Barbaren sicher vor Anker lag und Öllampen auf den Decks und den Booten drum herum brannten. Die Leute vom Dorf waren immer noch dabei, die Ladung an Land zu bringen, und Fischerboote und kleinere Kähne pendelten hin und her wie Glühwürmchen.
Er erschauerte. Dabei war die Luft durchaus nicht kalt. Normalerweise pflegten die Leute aus dem Dorf bei ihrer Arbeit zu singen, einmal, weil sie glücklich waren, dann aber auch, damit sie im Gleichklang ruderten. Heute abend jedoch waren sie ungewöhnlich still, obgleich jedes Haus wach und jede Hand beschäftigt war. Die Leute eilten hin und her, verneigten sich und eilten wieder fort. Schweigend. Sogar die Hunde waren verstummt.
So ist es noch nie zuvor gewesen, dachte er, und seine Hand umklammerte ganz unnötig fest den Schwertgriff. Es ist fast so, als ob unser Dorf- Kami uns verlassen hätte.
Mura kam vom Ufer herauf auf ihn zu, um ihn abzufangen. Man hatte ihn vorsorglich von seinem Kommen unterrichtet, kaum daß Omi das Gartentor verlassen hatte. Er verneigte sich. »Guten Abend, Omi-sama. Bis Mittag wird das Schiff entladen sein.«
»Ist der Barbar tot?«
»Ich weiß es nicht, Omi-sama. Ich werde sofort hingehen und mich erkundigen.«
»Du kannst mit mir kommen.«
Gehorsam folgte Mura ihm mit einem halben Schritt Abstand. Omi war merkwürdig froh über seine Gesellschaft.
»Bis Mittag, hast du gesagt?« fragte Omi. Die Stille behagte Omi durchaus nicht.
»Jawohl. Alles läuft gut.«
»Und wie ist es mit der Tarnung?«
»Die Kanonenrohre können wir von ihren Blocklafetten abnehmen und sie einfach einwickeln. Um eines zu tragen, brauchen wir mindestens zehn Mann. Igurashi-san hat im Nachbardorf weitere Träger angefordert.«
»Gut.«
»Ich mache mir Sorgen um die Geheimhaltung der Sache, Euer Gnaden.«
»Igurashi-san wird ihnen doch wohl klarmachen, wie notwendig das ist, neh?«
» Omi-sama, wir müssen all unsere Reissäcke, unser gesamtes Garn und alle unsere Netze sowie unser Flechtstroh hergeben.«
»Ja, und?«
»Wie sollen wir denn Fische fangen oder unsere Ernte einbringen?«
»Ihr werdet schon einen Weg finden.« Omis Stimme gewann an Schärfe. »Eure Steuer ist diesmal wieder um die Hälfte heraufgesetzt. Yabu-san hat das heute abend befohlen.«
»Wir haben die Steuern für dieses und nächstes Jahr bereits bezahlt.«
»Das ist ein Vorrecht der Bauern, Mura. Zu fischen und zu pflügen, zu ernten und Steuern zu zahlen, stimmt's nicht?«
Unbewegt sagte Mura: »Jawohl, Omi-sama.«
»Ein Dorfschulze, der sein Dorf nicht fest in der Hand hat, taugt nichts, neh?«
»Jawohl, Omi-sama.«
»Dieser Mann aus dem Dorf – er war nicht nur beleidigend, sondern auch ein Narr. Gibt es noch andere wie ihn?«
»Keinen, Omi-sama.«
»Das hoffe ich. Schlechte Manieren sind
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