Shogun
langer Zeit gegeben. Seine tiefliegenden Augen schauten aus dem winzigen, faltigen Affengesicht hervor. »Ich sterbe. Ihr hingegen werdet leben, und mein Sohn ist hilflos.«
»Nicht hilflos, Euer Gnaden. Alle Daimyos werden Euren Sohn ehren wie sie Euch ehren.«
Der Taikō lachte. »Ja, das werden sie. Heute. Solange ich noch lebe … gewiß! Aber wie sorge ich dafür, daß Yaemon auch wirklich nach mir regiert?«
»Ernennt einen Regentschaftsrat, Euer Gnaden.«
»Regenten!« sagte der Taikō wegwerfend. »Vielleicht sollte ich Euch zu meinem Erben machen und es Euch überlassen, später zu entscheiden, ob Yaemon es wert ist, Euch nachzufolgen.«
»Dessen wäre ich nicht wert. Euer Sohn sollte Euer Nachfolger sein.«
»Ja. Auch Gorodas Söhne hätten seine Nachfolger sein sollen.« Der Taikō sah Toranaga an: »Es kommt äußerst selten vor, noch mit siebenundfünfzig Jahren einen Sohn zu bekommen, und es ist schlimm, dann mit dreiundsechzig zu sterben … wenn es der einzige Sohn ist, man sonst keine Anverwandten hat und man Herr von Japan ist. Neh?«
»Ja«, sagte Toranaga.
»Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte nie einen Sohn bekommen, dann könnte ich das Reich in Eure Hände legen, wie es zwischen uns abgemacht war. Ihr habt mehr Söhne als Portugiesen Läuse.«
»Karma.«
Der Taikō lachte, und ein Speichelfaden mit etwas Blut darin rann ihm aus dem Mundwinkel. Behutsam wischte Yodoko den Speichel fort und lächelte Ochiba an. »Danke, Yo-chan, danke.« Dann wandten seine Augen sich Ochiba zu, und Ochiba lächelte zurück. Seine Augen lächelten jetzt nicht mehr, sondern blickten sie nur forschend und eindringlich an, erfüllt von der Frage, die er nie zu stellen gewagt hatte, von der sie jedoch überzeugt war, daß sie ihm für immer auf der Seele lag: Ist Yaemon mein Sohn?
»Karma, O-chan, neh?« Sanft sagte er das, doch Ochibas Angst, er könne sie doch direkt fragen, schüttelte sie, und Tränen glänzten in ihren Augen auf.
»Wozu weinen, O-chan? Das Leben ist nur ein Traum in einem Traum«, sagte der alte Mann. Sinnend spähte er zu Toranaga hinüber und sagte mit jener plötzlichen und unerwarteten Herzlichkeit, für die er berühmt war: »Eeeee, alter Freund, was für ein Leben wir gehabt haben, neh? All die Schlachten! Seite an Seite haben wir gekämpft … zusammen waren wir unbesiegbar. Wir haben das Unmögliche vollbracht, neh? Gemeinsam haben wir die Mächtigen gedemütigt und ihnen auf die hochgereckten Ärsche gespuckt, während sie auf dem Bauch kriechend um mehr bettelten. Das haben wir getan, ein Bauer und ein Minowara!« Der alte Mann gluckste in sich hinein. »Hört, noch ein paar Jahre, und ich hätte die Knoblauchfresser niedergeworfen. Dann mit den koreanischen Legionen und unseren eigenen japanischen Legionen ein rascher Vorstoß nach Peking, und ich auf dem Drachenthron Chinas. Ich hätte Euch Japan gegeben, das Ihr ja begehrt, denn ich hätte gehabt, was ich begehrte.« Die Stimme war kräftig und täuschte über die Hinfälligkeit des Körpers hinweg. »Auf den Drachenthron kann sich auch ein Bauer setzen, in allen Ehren und ohne das Gesicht zu verlieren … nicht so wie hier. Neh?«
»Ja, China und Japan sind sehr unterschiedlich, Euer Gnaden.«
»Ja. In China sind sie weise. Dort ist der erste einer Dynastie immer ein Bauer oder der Sohn eines Bauern gewesen, und die haben sich des Throns immer mit blutigen Händen bemächtigt. Dort gibt es keine erblichen Kasten … liegt nicht darin Chinas Stärke?« Wieder sein Lachen. »Gewalt und blutige Hände und Bauer … das bin ich. Neh?«
»Ja, aber Ihr seid auch Samurai. Ihr habt die Bestimmungen geändert. Ihr seid der erste einer Dynastie.«
»Ich hab' Euch immer gern gemocht, Tora-san.« Zufrieden schlürfte der alte Mann seinen Tee. »Ja … stellt Euch vor: Ich auf dem Drachenthron … Stellt Euch das vor! Kaiser von China! Yodoko Kaiserin, und nach ihr Ochiba, die Schöne, und nach mir Yaemon, und China und Japan für alle Zeiten vereint. Ach, es wäre so einfach gewesen! Dann wäre ich mit unseren Legionen und den chinesischen Horden nach Nordwesten und Süden vorgestoßen, und die Reiche der Erde hätten wie Huren der Zehnten Kategorie keuchend im Staub gelegen, die Beine weit für uns gespreizt, auf daß wir uns nähmen, was wir wollten … Ihr und ich waren unbesiegbar … Wir wissen, worum es im Leben geht, neh?«
» Ja.«
Seine Augen glitzerten eigentümlich. »Und worum geht es?«
»Um
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