Shogun
sichtlich mitgenommen. »Tut mir leid, Dame, aber sie verlangt nach Euch.«
»Stirbt sie?« fragte Ishido.
»Sie ist dem Tode nahe, Herr General, ja, das ist sie, aber wann … das kann ich nicht sagen.«
Ochiba durchmaß diesen noch üppiger ausgestatteten Raum und kniete neben den Futons nieder. Zofen und Ärzte standen um sie herum. Sonnenlicht sickerte durch die Ritzen der Bambus-Fensterläden und blitzte auf dem goldenen und roten Schnitzwerk der Balken, Säulen und Türen. Yodokos Bett war von Wandschirmen mit herrlicher Einlegearbeit umgeben. Sie schien zu schlafen, ihr blutleeres Gesicht war tief verborgen in der Kapuze des Habits der buddhistischen Nonne. Ihre Gelenke wirkten zerbrechlich, die Adern traten stark hervor, und Ochiba dachte, wie traurig es ist, alt zu werden. Die Götter mögen mich vor dem Greisenalter bewahren, betete sie. Buddha beschütze meinen Sohn, bringe ihn sicher an die Macht und beschütze mich nur so lange, wie ich in der Lage bin, über ihn zu wachen und ihm zu helfen.
Dann nahm sie Yodokos Hand und verneigte sich ehrfürchtig. »Dame?«
»O-chan?« flüsterte Yodoko und nannte sie bei ihrem Kosenamen.
»Ja, Dame?«
»Ach, wie hübsch Ihr seid, so hübsch, wie Ihr immer gewesen seid.« Ihre Hand hob sich, strich über das herrliche Haar, und Ochiba empfand keinen Widerwillen gegen diese Berührung, sondern genoß sie vielmehr, denn sie hatte sie immer besonders gern gemocht. »So jung und so schön und so wohlduftend. Welch ein Glück der Taikō gehabt hat!«
»Habt Ihr Schmerzen, Dame? Kann ich Euch irgend etwas holen?«
»Nichts … nichts, ich wollte bloß reden.« Die alten Augen waren eingesunken, hatten jedoch nichts von ihrer Listigkeit eingebüßt. »Schickt die anderen fort!«
Ochiba winkte ihnen, sie allein zu lassen, und als sie allein waren, sagte sie: »Ja, Dame?«
»Hört, mein Liebling, sorgt dafür, daß der Herr General sie ziehen läßt.«
»Das kann er nicht, Dame, sonst verlassen auch all die anderen Geiseln Osaka, und wir stehen geschwächt da. Darin sind sich die Regenten alle einig«, sagte Ochiba.
»Die Regenten!« sagte Yodoko mit einer Spur von Verachtung! »Seid Ihr denn auch dieser Meinung?«
»Ja, Dame, und gestern abend habt auch Ihr gesagt, sie dürfe nicht fort.«
»Jetzt müßt Ihr sie ziehen lassen, sonst begehen alle anderen gleichfalls Seppuku, und Ihr und Euer Sohn habt unter Ishidos Fehler schwer zu leiden.«
»Der Herr General ist uns treu ergeben, Dame. Und Toranaga ist es nicht, tut mir leid.«
»Ihr könnt Herrn Toranaga trauen … Ishido nicht.«
Ochiba schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich bin überzeugt, daß Toranaga entschlossen ist, Shōgun zu werden und unseren Sohn zu vernichten.«
»Ihr irrt Euch. Andere Daimyos versuchen, ihn für ihre eigenen Zwecke einzuspannen. Das haben sie immer getan. Toranaga war der Liebling des Taikō. Toranaga hat den Erben immer geehrt. Toranaga ist ein Minowara. Laßt Euch nicht von Ishido oder den Regenten irremachen! Sie haben alle ihr eigenes Karma, ihre eigenen Geheimnisse, O-chan. Warum sie nicht ziehen lassen? Das macht doch alles soviel einfacher. Verbietet ihr, mit dem Schiff abzureisen, dann kann man sie innerhalb unserer Grenzen immer noch jederzeit aufhalten. Denkt, wie der Taikō denken würde oder Toranaga. Ihr und unser Sohn werdet hineingerissen in …« Ihre Worte erstarben, und ihre Augenlider zuckten. Die alte Dame nahm alle Kraft, die ihr noch verblieben war, zusammen und fuhr fort: »Mariko-san könnte niemals etwas gegen eine Bewachung einwenden. Ich weiß, daß sie entschlossen ist zu tun, was sie sagt. Laßt sie gehen!«
»Selbstverständlich ist das erwogen worden, Dame«, sagte Ochiba sanft und geduldig. »Doch wenn man sie ziehen läßt, folgen alle anderen augenblicklich ihrem Beispiel – wir würden eine sehr gewichtige Karte aus der Hand geben. Ihr wart doch selbst dafür, Yodoko-chan, habt Ihr das vergessen?«
»Nein, keineswegs, Kind«, sagte Yodoko, und ihre Gedanken schweiften ab. »Ach, ich wünschte so sehr, der Herr Taikō wäre wieder hier, Euch zu leiten.« Das Atmen fing der alten Dame sichtlich an schwerzufallen.
»Soll ich Euch nicht etwas Cha oder Saké geben?«
» Cha , ja, etwas Cha, bitte.«
Sie half der alten Frau trinken. »Danke, Kind.« Yodokos Stimme klang jetzt schwächer, und die Anstrengung des Sprechens beschleunigte das Sterben. »Hört, Kind, Ihr müßt Toranaga trauen. Heiratet ihn, feilscht mit ihm über
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