Shogun
gefragt. »Wenn du noch ein bißchen wartest – ich bin sicher, unser Herr wacht nicht auf.«
Der Knabe runzelte abermals die Stirn. Dann sagte er: »Ja, bitte«, und hinterher hatte er dann gesagt: »Das war sehr komisch, Kiku-san.«
Insgeheim mußte sie lächeln. »Was ziehst du vor?«
Lange dachte der Knabe nach, und nachdem sie schließlich gelöst einer in den Armen des anderen dalagen, meinte er: »Auf diese Weise ist es ziemlich harte Arbeit.«
Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter und küßte ihm den Halsansatz, um ihr Lächeln zu verbergen. »Du bist ein wunderbarer Liebhaber«, flüsterte sie. »Aber jetzt mußt du schlafen – nach so harter Arbeit.« Sie streichelte auch ihn in den Schlaf und erhob sich.
Der andere Futon war kalt. Sie wollte sich nicht in Yabus wärmende Nähe begeben, weil sie fürchtete, ihn zu wecken. Bald war ihre Seite warm.
Die Konturen der Schatten auf den Shoji wurden klarer. Männer sind wie kleine Kinder, dachte sie. So erfüllt von unsinnigem Stolz. Die ganze Qual dieser Nacht für etwas so Vergängliches. Für eine Leidenschaft, die an sich nichts ist als eine Illusion, neh?
Der Knabe rührte sich im Schlaf. Warum hast du dich ihm angeboten? fragte sie sich. Um seiner Lust willen – seiner, nicht meiner, dachte sie, obgleich es mich amüsiert hat und mir die Zeit vertrieb und ihm den Frieden gab, den er brauchte. Warum schläfst du nicht ein bißchen? Später werde ich schlafen, später, sagte sie sich.
Als es Zeit war, schlüpfte sie aus der weichen Wärme heraus und erhob sich. Rasch machte sie ihre Gewänder zurecht und schlang den Obi zum Knoten. Eine flinke Handbewegung, um ihre Frisur und ihr Make-up zu richten.
Leise ging sie hinaus.
Der Samurai, der vor der Verandatür Wache stand, verneigte sich; sie erwiderte die Verneigung und stand dann im ersten Schein der Morgensonne da. Ihre Zofe wartete auf sie.
»Guten Morgen, Kiku-san.«
»Guten Morgen.«
Sie schlüpfte in die Sandalen, spannte den lackroten Sonnenschirm auf, durchquerte den Garten und trat hinaus auf den Pfad, der zum Dorf hinunterführte ins Teehaus, wo sie vorübergehend ihre Wohnung aufgeschlagen hatte. Ihr Mädchen folgte ihr.
»Guten Morgen, Kiku-san«, rief Mura und verneigte sich. Er ruhte sich für ein Weilchen auf der Veranda seines Hauses aus und trank Cha, den blaßgrünen Tee Japans. Seine Mutter wartete ihm auf. »Guten Morgen, Kiku-san«, kam es wie ein Echo von ihr. »Wie geht es Euch?« Ihre Augen sahen das Mädchen mit durchdringendem Blick an. »Was für eine schreckliche Nacht. Bitte, leistet uns beim Tee Gesellschaft. Ihr seht blaß aus, Kind!«
»Vielen Dank, aber bitte entschuldigt mich. Ich muß jetzt nach Hause. Ihr tut mir zuviel Ehre an. Vielleicht später.«
»Selbstverständlich, Kiku-san. Ihr ehrt unser Dorf durch Eure Anwesenheit.«
Das wird die Runde durchs Dorf machen, dachte sie glücklich, als sie sich verneigte. Die Falten ihres Kimonos schwankten vollendet hin und her. Den Sonnenschirm hatte sie gerade so weit geneigt, daß er sie im vorteilhaftesten Licht erscheinen ließ. Bei vollem Tageslicht wäre die Wirkung bei weitem nicht so aufregend gewesen.
»Ach, armes, armes Kind! Sie ist so schön, neh? Was für eine Schande! Schrecklich!« sagte Muras Mutter und seufzte herzerweichend auf.
»Was ist so schrecklich, Saiko-san?« erkundigte sich Muras Frau, die gerade auf die Veranda trat.
»Hast du nicht die Seelenqual des armen Mädchens gesehen? Hast du nicht bemerkt, wie tapfer sie versuchte, es zu verbergen? Armes Kind. Erst siebzehn, und schon all dies durchmachen zu müssen!«
»Sie ist achtzehn«, sagte Mura trocken.
»Was alles, Herrin?« sagte atemlos eines der Mädchen, das sich ihnen zugesellte.
Die alte Frau sah sich um, um sich zu vergewissern, daß auch alle zuhörten, und dann flüsterte sie vernehmlich: »Ich habe gehört« – hier senkte sie die Stimme – »ich habe gehört, sie soll drei Monate lang nicht zu gebrauchen sein … drei Monate lang.«
»O nein! Arme Kiku-san! Ach! Aber warum nur?«
»Er hat seine Zähne gebraucht. Ich hab's aus allererster Quelle.«
»Aber wozu braucht er denn noch den Knaben, Herrin? Ganz gewiß macht es ihm doch keine …«
»Ach! Mach, daß du vorankommst. Geht wieder an eure Arbeit, ihr Nichtsnutze! Fort mit euch! Der Herr und ich haben zu reden.«
Sie scheuchte sie von der Veranda. Selbst Muras Frau. Und schlürfte ihren Cha.
Mura brach das Schweigen. »Seine Zähne?«
»Seine
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