Shogun
Toranaga erkannte im Schein der Fackeln, wie starr die Augen des Mannes waren und wie unendlich erschöpft er war. Er warf einen Blick auf Tsukku-san. »Versteht er, was ich gesagt habe?« Er lauschte, als der Priester sprach, lauschte dieser böse klingenden Sprache. Der Anjin-san nickte, doch das Anklagende in seinem Blick verschwand keinen Moment.
»Jawohl, Euer Gnaden«, sagte der Priester.
»Dann dolmetscht jetzt für mich wie immer. Alles ganz genau. Zunächst, Tsukku-san, schwört bei Eurem Christengott, daß nichts von dem, was er sagt, jemals einem anderen zu Ohren kommen wird. Wie im Beichtstuhl. Neh? Wie heilig. Mir und ihm.«
»Aber, Euer Gnaden, es ist nicht …«
»Entweder Ihr schwört es auf der Stelle, oder ich entziehe Euch und Eurer Kirche für immer meine Unterstützung.«
»Sehr wohl, Euer Gnaden. Ich bin einverstanden, so wahr mir Gott helfe!«
»Gut. Vielen Dank. Erklärt ihm, was Ihr geschworen habt.« Alvito gehorchte, und Toranaga machte es sich auf dem Dünensand bequem. »Und jetzt, Anjin-san, berichtet mir bitte, was in Osaka geschehen ist.«
Stockend fing Blackthorne an, doch bald wurde für ihn alles wieder lebendig, und seine Worte überstürzten sich, so daß Pater Alvito Mühe hatte mitzukommen. Toranaga hörte schweigend zu, unterbrach den Redefluß nicht, höchstens, um ihn behutsam zu ermuntern: Er war der vollendete Zuhörer.
Als der Morgen graute, war Blackthorne mit seinem Bericht fertig. Jetzt wußte Toranaga alles, was es zu berichten gab … alles, was der Anjin-san zu berichten bereit war, berichtigte er sich.
»Seid Ihr sicher, daß der Generalkapitän Euch auf den Scheiterhaufen gebracht hätte, Anjin-san?« fragte er nochmals.
»Aber ja. Wenn der Jesuit nicht gewesen wäre … Ich bin in seinen Augen ein Ketzer … und Feuer soll einen ›reinigen‹, jedenfalls die Seele.«
»Warum hat der Pater Visitator Euch gerettet?«
»Das weiß ich nicht. Irgendwie hängt das mit Mariko-sama zusammen. Ohne mein Schiff kann ich ihnen nichts anhaben. Oh, selbstverständlich wären sie auch von sich aus darauf gekommen, aber sie muß ihnen den Schlüssel dafür gegeben haben.«
»Was für einen Schlüssel? Woher sollte sie wissen, wie man ein Schiff verbrennt?«
»Das weiß ich nicht. Aber Ninja sind in die Burg eingedrungen. Vielleicht haben auch hier Ninja die Reihen der Wachen durchbrochen. Jedenfalls ist mein Schiff der Sabotage zum Opfer gefallen. Sie hat den Pater Visitator an dem Tag gesprochen, an dem sie starb. Ich glaube, sie hat ihm gesagt, wie man die Erasmus vernichten kann … als Gegenleistung für mein Leben. Aber ohne mein Schiff habe ich kein Leben mehr, Euer Gnaden. Ich bin tot.«
»Ihr irrt, Anjin-san. Vielen Dank, Tsukku-san«, sagte Toranaga und entließ ihn damit. »Ja. Ich danke Euch für Eure Mühe. Jetzt schlaft für eine Weile.« Dann wandte er sich Blackthorne zu. »Anjin-san. Erst schwimmen.«
»Euer Gnaden?«
»Schwimmen?« Toranaga zog sich aus und ging im heller werdenden Licht ins Wasser. Blackthorne und die Wachen folgten ihm. Toranaga schwamm kräftig hinaus ins Meer, dann kehrte er um und schwamm um das Wrack herum. Durch die Kälte erfrischt, schwamm Blackthorne hinter ihm her. Bald kehrte Toranaga ans Ufer zurück. Diener hielten Handtücher und frische Kimonos, Cha, Saké und etwas zu essen bereit.
»Eßt, Anjin-san!«
»Tut mir leid. Nicht hungrig.«
»Eßt!«
Blackthorne aß ein paar Happen, dann mußte er würgen. »Tut mir leid.«
»Dumm. Und schwach. Schwach wie Knoblauchfresser. Nicht wie Hatamoto. Neh?«
»Euer Gnaden?«
Toranaga wiederholte die Worte rücksichtslos. Dann wies er auf das Wrack. Jetzt war er sich der vollen Aufmerksamkeit des Anjin-san erst sicher. »Das ist nichts. Shikata ga nai . Unwichtig. Hört: Anjin-san ist Hatamoto, neh? Kein Knoblauchfresser. Versteht Ihr?«
»Ja, tut mir leid.«
Toranaga winkte einem seiner Leibwächter, der ihm eine versiegelte Schriftrolle übergab. »Hört, Anjin-san, ehe Mariko-sama Yedo verließ, übergab sie mir dies hier. Mariko-sama sagt, wenn Ihr nach Osaka noch am Leben seid … wenn Ihr lebt, versteht Ihr? … bittet sie mich, Euch dies zu übergeben.«
Blackthorne nahm die ihm dargereichte Schriftrolle in Empfang, und nach einer Weile erbrach er das Siegel.
»Was steht in dem Brief, Anjin-san?« fragte Toranaga.
Mariko hatte ihm lateinisch geschrieben: »Er! Ich liebe Ihn. Wenn Er diesen Brief liest, bin ich in Osaka tot und vielleicht meinetwegen
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