Shogun
an Bord!« Er wandte sich zum Gehen, doch Blackthorne hielt ihn zurück. »Was ist mit meinen Freunden, meiner Mannschaft?«
»Eh?«
In wenigen Worten erklärte Blackthorne ihm die Sache mit der Grube. In seinem japanischen Kauderwelsch befragte Rodrigues Omi. »Er sagt, es geht alles in Ordnung mit ihnen. Hört, es gibt nichts, was Ihr oder ich jetzt tun könnten. Ihr müßt abwarten – bei den Japsen weiß man nie genau, woran man ist. Sie haben sechs Gesichter und drei Herzen.« Rodrigues verneigte sich wie ein europäischer Höfling vor Hiro-matsu. »So machen wir es in Japan. Als ob wir am Hof des ehebrecherischen Philipp wären – Gott möge diesen Spanier früh in sein Grab schicken.« Er führte die Reihe zum Deck hinauf an. Zu Blackthornes Verwunderung gab es dort weder Ketten noch Sklaven.
»Was ist? Seid Ihr krank?« fragte Rodrigues.
»Nein, ich hatte nur gedacht, das hier wäre eine Sklavengaleere.«
»In Japan gibt's keine Sklaven. Nicht mal in den Bergwerken. Vollkommen irre, aber da habt Ihr's mal wieder. Solche Irren habt Ihr noch nie gesehen. Unsere Ruderer hier sind Samurai. Das sind Soldaten, die persönlichen Gefolgsleute von dem alten Kacker – und Sklaven rudern bestimmt nicht so gut wie die hier. Und bessere Kämpfer gibt es auch nirgends.« Rodrigues lachte. »Die kneifen die Arschbacken zusammen und rudern und rudern! Manchmal heiz' ich ihnen extra ein, um zu sehen, ob die Kerle durchhalten. Aber da macht keiner schlapp. Wir sind die ganze Strecke von Osaka heruntergekommen – das sind dreihundert und 'n paar Seemeilen – in vierzig Stunden. Kommt unter Deck. Wir werden bald ablegen. Fehlt Euch auch wirklich nichts?«
»Nein. Nein, ich glaube nicht.« Blackthorne blickte zur Erasmus hinüber, die nur hundert Schritt von ihnen vertäut dalag. »Pilot, es gibt wohl keine Möglichkeit, an Bord zu gehen, oder? Sie haben mich nicht wieder an Bord gelassen, dabei hab' ich keine Kleidung. Und bei unserer Ankunft haben sie alles gleich versiegelt. Bitte!«
Rodrigues sah abschätzend zum Schiff hinüber.
»Wann habt Ihr den Vormast verloren?«
»Kurz bevor wir hier landeten. Wir haben noch einen Ersatzmast an Bord.«
»Was ist ihr Heimathafen?«
»Rotterdam.«
»Ist sie da auch gebaut worden?«
»Ja.«.
»Bin mal dagewesen. Gefährliche Untiefen, aber ein idealer Hafen. Hat phantastisch schnittige Linien, Euer Schiff. Neu – hab' diese Art vorher noch nie gesehen. Muß das ein Renner sein! Verdammt schwer, es mit ihr aufzunehmen.« Rodrigues sah zu ihm hin. »Könnt Ihr Euer Zeug schnell holen?« Er drehte das Halbglas um, das neben dem Stundenglas stand; beide waren am Kompaßhaus befestigt.
»Ja.« Blackthorne versuchte, sich die keimende Hoffnung nicht anmerken zu lassen.
»Aber nur unter einer Bedingung, Pilot. Keine Waffen – nichts im Ärmel oder sonstwo verstecken. Euer Wort als Pilot darauf!«
»Einverstanden«, sagte Blackthorne und beobachtete, wie der feine Sand lautlos durch die Wespentaille des Zeitmessers rann.
»Ich blas Euch den Kopf von den Schultern, ob Ihr nun Pilot seid oder nicht, falls Ihr mich auch nur im geringsten hinters Licht zu führen versucht.«
»Ich gebe Euch mein Wort, von Pilot zu Pilot, bei Gott! Und die Pest über die Spanier!«
Rodrigues lächelte und klopfte ihm kameradschaftlich auf den Rücken. »Ihr fangt an, mir zu gefallen, Ingeles!«
»Woher wißt Ihr denn, daß ich Engländer bin?« fragte Blackthorne, der sehr wohl wußte, daß sein Portugiesisch tadellos war und nichts von dem, was er gesagt, ihn von einem Niederländer hätte unterscheiden können.
»Ich bin ein Wahrsager. Sind das nicht alle Piloten?« Rodrigues lachte.
»Habt Ihr mit dem Priester gesprochen? Hat Pater Sebastio es gesagt?«
»Ich rede nicht mit Priestern, wenn es sich vermeiden läßt.« Verächtlich spuckte Rodrigues in die Bilgen und ging zur Backbord-Laufplanke hinüber, von der aus man die Mole überblicken konnte. »Toda-sama! Ikimasho ka?«
»Ikimasho, Rodrigu-san. Ima!«
» Ima also.« Nachdenklich blickte Rodrigues Blackthorne an. »Ima bedeutet ›jetzt, auf der Stelle‹. Wir stehen im Begriff abzufahren, Ingeles.«
Der Sand hatte bereits einen kleinen, ebenmäßigen Hügel unten auf dem Boden des Stundenglases gebildet.
»Ob Ihr ihn wohl bitten könntet? Bitte! Ob ich an Bord meines Schiffes dürfte?«
»Nein, Ingeles. Ich werde ihn auch nicht um die kleinste Kleinigkeit bitten!«
Blackthorne empfand plötzlich eine große Leere in
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