Shogun
Samurai ist es noch schlimmer. Die fürchten nichts, am wenigsten den Tod. Wenn ihre Vorgesetzten ihnen befehlen: ›Tötet‹, töten sie, und wenn sie sagen: ›Stirb‹, dann stürzen sie sich in das eigene Schwert oder schlitzen sich den Bauch auf. Die töten und sterben so leicht, wie wir pissen. Frauen sind auch Samurai, Ingeles. Die töten, um ihren Herrn zu beschützen, oder sie bringen sich selbst um, wenn man es ihnen befiehlt. Dann schneiden sie sich einfach die Kehle durch. Jesus, Madonna, die Frauen hier sind schon etwas Besonderes, Ingeles, nichts auf Erden, was ihnen gleichkäme, aber die Männer … Samurai sind Reptile, und am sichersten fährt man damit, wenn man sie wie Giftschlangen behandelt. – Alles in Ordnung mit Euch?«
»Ja, vielen Dank. Ein bißchen schwach noch, aber sonst in Ordnung.«
»Wie war Eure Fahrt?«
»Rauh! Was die Samurai betrifft – wie wird man das eigentlich? Nehmen die sich einfach zwei Schwerter und lassen sich die Haare auf diese besondere Art scheren?«
»Als Samurai wird man geboren. Selbstverständlich gibt es alle möglichen Ränge unter ihnen, von den Daimyos oben bis hinab zu den Dreckskerlen, die wir Fußsoldaten nennen würden. Meistens ist es erblich, wie bei uns. In alter Zeit, so hat man mir gesagt, war es genauso wie heute in Europa – Bauern konnten Soldaten werden und Soldaten Ritter, wobei es einen Erbadel gab, von den Rittern bis zu den Königen. Manche Bauern sind bis zum höchsten Rang aufgestiegen. Der Taikō war einer von ihnen.«
»Wer?«
»Der Großdespot, der Beherrscher Japans, der Großschlächter aller Zeiten … Später werde ich Euch von ihm erzählen. Vor einem Jahr ist er gestorben, und jetzt schmort er in der Hölle.« Rodrigues spuckte über Bord. »Heutzutage muß man schon als Samurai geboren werden. Sonst kann man es nicht werden. Der Samuraistand ist erblich, Ingeles. Madonna, Ihr habt ja keine Ahnung, wieviel Wert die auf Erbe, Familie, Rang und so weiter legen! Ihr habt ja gesehen, wie dieser Omi vor dem Teufel katzbuckelt, und wie sie beide vor dem alten Toda-sama auf dem Bauch kriechen. ›Samurai‹ kommt von dem japanischen Wort für ›dienen‹. Aber wenn sie vor Höhergestellten auch alle den Rücken krümmen und ihren Kratzfuß machen, sind sie als Samurai doch alle gleich und genießen alle dieselben Privilegien. Was tut sich an Bord?«
Blackthorne sah zum Schiff hinüber.
»Der Käpt'n redet auf einen anderen Samurai ein und zeigt auf uns. Was ist denn so Besonderes an ihnen?«
»Hierzulande beherrschen die Samurai alles und besitzen alles. Sie haben ihren eigenen Ehrenkodex und müssen ganz bestimmte Regeln beachten. Hochmütig? Madonna, Ihr habt ja keine Ahnung! Noch der niedrigste von ihnen darf laut Gesetz jeden Nicht-Samurai töten, ob Mann, Frau oder Kind, und das ohne jeden Grund. Nach dem Gesetz dürfen sie sogar jemand umbringen, bloß um die Schärfe ihres Schwertes zu prüfen – ich hab' das erlebt – und ihre Schwerter sind die besten der Welt. Besser als Damaszenerklingen! Was macht der Kacker jetzt?«
»Sieht bloß zu uns rüber. Den Bogen hat er jetzt auf dem Rücken. Ich hasse diese Kerle – noch mehr als die Spanier.«
Abermals lachte Rodrigues beim Skullen lauf auf. »Ehrlich gesagt, bringen sie meine Pisse auch zum Gerinnen! Aber wenn Ihr rasch reich werden wollt, müßt Ihr mit ihnen zusammenarbeiten, denn ihnen gehört alles. Ist auch wirklich alles in Ordnung mit Euch?«
»Ja. Danke. Was habt Ihr gesagt? Daß den Samurai alles gehört?«
»Ja. Das ganze Land ist in Burgen aufgeteilt, wie in Indien. Oben die Samurai, und dann kommen die Bauern.« Rodrigues spuckte über Bord. »Nur Bauern können Land besitzen! Kapiert? Den Samurai dagegen gehört alles, was sie erzeugen! Der ganze Reis – einen Teil geben sie den Bauern zurück. Nur Samurai dürfen Waffen tragen. Wenn ein Nicht-Samurai einen Samurai angreift, so ist das gleichbedeutend mit Rebellion, die durch augenblicklichen Tod geahndet werden muß. Und wenn jemand so etwas beobachtet und es nicht meldet, ist auch er haftbar. Seine ganze Familie wird umgebracht. Madonna, ist das eine Satansbrut, diese Samurai! Ich hab' selbst mit angesehen, wie Kinder zu Hackfleisch gemacht wurden.« Rodrigues räusperte sich und spuckte aus. »Und trotzdem – wenn man sich nur ein bißchen auskennt, ist dieses Land der Himmel auf Erden.« Er blickte zur Galeere zurück, um sich zu vergewissern, dann grinste er. »Na, Ingeles, es geht
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