Shogun
sich. Und kam sich uralt vor. Er sah Rodrigues nach, wie er zur Reling des Achterdecks ging und einen Seemann anbellte, der auf dem erhöhten Teil des Vorderstevens stand. »He, Käpt'n-san. Ikimasho? Ruft die Samurai an Bord, ima! Ima, wakarimasu ka?«
»Hai, Anjin-san.«
Gleich darauf schlug Rodrigues sechsmal laut die Schiffsglocke an, und der Kapitän begann, den Matrosen und Samurai an Bord und am Ufer Befehle zuzurufen. Die Matrosen eilten von unten aufs Deck, um sich zum Ablegen bereitzumachen, und in dem scheinbaren Durcheinander nahm Rodrigues still Blackthornes Arm und schob ihn auf das Fallreep an Backbord, der dem Ufer abgewandten Seite des Schiffes.
»Da unten liegt ein Beiboot, Ingeles. Bewegt Euch nicht zu rasch, seht Euch nicht um, und gebt auf niemand acht außer auf mich. Wenn ich Euch sage, Ihr sollt zurückkommen, kommt schnell.«
Blackthorne überquerte das Deck und kletterte das Fallreep hinunter zu einem kleinen Boot. Hinter sich hörte er zornige Stimmen und spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten.
»Ihr braucht keine Angst um ihn zu haben, Käpt'n-san. Ich hab' die Verantwortung für ihn übernommen. Ich, Rodrigu-san, ichi ban Anjin-san, bei der heiligen Jungfrau! Wakarimasu ka?« Diese Worte hörte er über dem Durcheinander der anderen Stimmen, doch wurden diese immer wütender.
Jetzt war Blackthorne fast schon im Beiboot, da erkannte er, daß es keine Ruderdollen aufwies. Ich kann nicht so skullen, wie sie es tun, sagte er sich. Ich kann das Boot nicht benutzen. Und zum Schwimmen ist es zu weit, oder?
Er zögerte, schätzte die Entfernung ab. Wenn er voll bei Kräften gewesen wäre, würde er keinen Augenblick gezögert haben. Aber so?
Füße klapperten über ihm das Fallreep herunter, und er mußte sich zusammennehmen, um nicht der Versuchung nachzugeben, sich umzudrehen. »Setzt Euch nach vorn«, hörte er Rodrigues drängen. »Beeilt Euch!«
Er tat, wie ihm geheißen, und Rodrigues sprang behende ins Boot, packte die Riemen und handhabte im Stehen mit großer Geschicklichkeit die Riemen.
Ein Samurai stand oben am Fallreep, sah verstört aus, und zwei andere Samurai mit schießbereiten Bogen standen neben ihm. Der Kapitän-Samurai rief etwas; unzweifelhaft forderte er sie auf zurückzukommen.
Wenige Armlängen von der Galeere entfernt drehte Rodrigues sich um. »Fahren nur schnell rüber«, rief er und wies auf die Erasmus. »Holt die Samurai an Bord!« Er wandte dem Schiff entschlossen den Rücken zu und fuhr fort zu skullen. »Sagt mir, ob sie Pfeile auf die Sehnen setzen, Ingeles! Gebt gut acht auf sie. Was machen sie jetzt?«
»Der Käpt'n ist schrecklich aufgeregt. Ihr bekommt doch nicht etwa Schwierigkeiten, oder?«
»Wenn wir nicht mit dieser Tide auslaufen, hätte der alte Toda vielleicht Grund, sich zu beklagen. Was machen die Bogenschützen?«
»Nichts. Sie hören ihm zu. Er scheint unentschlossen. Nein. Jetzt holt einer von ihnen einen Pfeil aus dem Köcher.«
Rodrigues zögerte. »Madonna, sie sind verdammt gut im Bogenschießen. Hat er ihn schon auf die Sehne gesetzt?«
»Ja, aber er wartet. Der Käpt'n – jemand ist zu ihm gekommen. Der Käpt'n sieht zu uns rüber. Jetzt hat er was zu dem Mann mit dem Bogen gesagt. Jetzt steckt der Mann den Pfeil weg. Der Matrose weist auf irgendwas auf Deck.«
Rodrigues wagte einen verstohlenen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dann atmete er erleichtert auf. »Das ist einer von den Maten. Der braucht mindestens eine halbe Stunde, bis er seine Ruderer alle klar hat.«
Blackthorne wartete, die Entfernung vergrößerte sich. »Der Käpt'n sieht wieder zu uns her. Jetzt ist alles in Ordnung. Er ist weggegangen. Dafür beobachtet ein Samurai uns.«
»Soll er!« Rodrigues entspannte sich, ohne indes die Bewegung des Skullens im mindesten zu verlangsamen oder zurückzublicken. »Hab's gar nicht gern, wenn ich einem Samurai den Rücken zudreh', jedenfalls nicht, wenn er Waffen in den Händen hält. Es sind alle Schweinehunde!«
»Warum?«
»Weil es ihnen Spaß macht zu töten, Ingeles. Bei ihnen ist es Sitte, sogar mit den Schwertern zu schlafen. Japan ist ein großartiges Land, aber die Samurai sind gefährlich wie die Vipern.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, Ingeles, aber sie sind es nun mal«, entgegnete Rodrigues, froh darüber, einen Europäer zu haben, mit dem er reden konnte. »Die Japse sind alle anders als wir – sie empfinden Schmerz oder Kälte nicht so wie unsereiner –, aber bei den
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