Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
eine Hand. »Ich kenne nicht genug Worte.«
    »Du wirst sie lernen. Wir haben Zeit genug.«
    Duncan runzelte die Stirn, betrachtete den Mri unter den Brauen hervor und näherte sich vorsichtig an das an, was bereits zurückgewiesen worden war. »Wieviel Zeit?«
    Niun zuckte die Achseln.
    »Weiß es die She'pan?« fragte Duncan.
    Die Membran blinzelte über Niuns Augen. »Dein Herz ist noch immer Tsi'mri.«
    Das war eine typische Mri-Antwort, die ihn zum Wahnsinn treiben konnte. Duncan tastete das Muster ab, das er in den Boden gekratzt hatte, und überlegte, wie er vernünftig mit dem Mri reden konnte. Urplötzlich hielt Niun seine Hand fest. Er riß sie wieder frei und blickte tief beleidigt auf.
    »Noch eines«, sagte Niun. »Ein Kel'en liest und schreibt nicht.«
    »Ich tue es.«
    »Vergiß es!«
    Duncan starrte ihn an. Niun verschleierte sich und stand auf. Es war eine kerzengerade Aufwärtsbewegung, die er noch wenige Tage zuvor nicht hätte ausführen können, eine Anmut, die natürlich war für einen Mann, der sein Leben auf dem Boden sitzend verbracht hatte. Aber Duncan wirkte weniger anmutig bei dem Versuch, aufzustehen und ihm ins Gesicht zu blicken.
    »Hör zu!« sagte er.
    Und eine Sirene ertönte.
    Duncan erlebte einen Moment hellwachen Bewußtseins, bevor ihn die Panik übermannte, die nackte Angst. Sie näherten sich der Transition, hatten einen Sprungpunkt erreicht. Die Dusei hatten es bemerkt. Ihre Gefühle überschwemmten den Raum wie ein Flut – Angst, Abscheu.
    »Yai!« rief Niun ihnen zu, beruhigte sie damit. Er ging zur Tür und packte den Handgriff dort. Duncan ging zu dem an der anderen Seite des Raumes, heuchelte eine Ruhe, die er nicht empfand. Seine Eingeweide verknoteten sich in erschreckter Erwartung des Kommenden – und es gab keine Drogen, nichts. Nur Niuns kaltes, regloses Vorbild hinderte ihn daran, zu Boden zu sinken und dort zu warten.
    Die Sirene verstummte. Einen Moment später signalisierte eine Klingel den bevorstehenden Sprung – ein automatischer Alarm, den das Schiff auslöste, als das Band auf sein Ziel zulief. Noch hatten sie nicht erfahren, wo sie sich befanden. Der namenlose gelbe Stern hing immer noch als einer unter vielen im Feld des Schirms. Keine anderen Schiffe waren gekommen. Nichts.
    Plötzlich trat das einleitende Gefühl der Unsicherheit auf, und Wände, Boden, Zeit, Materie kräuselten sich und zerrissen. Im Ausfluß durchlief der Verstand etwas Unwiederbringliches, als sich der Prozeß umkehrte; es blieb jedoch der Eindruck unvorstellbarer Tiefe und überstimulierter Sinne. Die Wände kräuselten sich in die Festigkeit zurück. Hände fühlten. Atem und Sicht kehrten zurück.
    Aber die Klingel schrillte weiter, kündete immer noch einen bevorstehenden Sprung an.
    »Etwas stimmt nicht!« schrie Duncan. Er sah Niuns Blick, die Furcht, etwas darin Ungewohntes. Und Niun rief ihm etwas zu, das mit Melein zu tun hatte – und rannte los.
    Die Dus-Gefühle überfluteten den Raum. Wieder setzte die Auflösung ein, das Kräuseln, die Verdrehung im Magen wie bei einem Todessturz. Duncan klammerte sich fest, wo er war, sehnte sich nach Bewußtlosigkeit, schaffte es nicht, sie zu erreichen. Der Raum löste sich auf. Formte sich erneut.
    Die Klingel schrillte weiter und weiter, und die Verzerrung setzte ein drittesmal ein. Dus-Körper umgaben Duncan, strahlten Angst aus. Er kreischte, verlor den Halt und fiel zwischen den Tieren zu Boden, eins mit ihnen, Tierverstand, Tiersinn, und die Klingeln. Wieder begann das Kräuseln, dann die Verfestigung; und ein weiteres Mal..., und wieder..., und wieder.
    * * *
    Er spürte die Festigkeit um sich, Berührung und Lichtwahrnehmungen, die ihm fremd anmuteten nach den Abgründen, die er bereist hatte. Er schrie auf und spürte die Wärme der Dusei an seinem Körper, ihren starken Trost, die verrückte Irrationalität ihrer nicht begreifenden Geister.
    Sie waren sein Anker. Sie hatten ihn gehalten, eins mit ihm. Er gab für eine Weile sein Menschsein auf und sich ihnen hin, den Arm um einen massigen Nacken geschlungen, empfing ihre Wärme und ihren Trost, bis er klar erkannte, was er ihnen gab. Er fluchte und stieß sie, und sie zogen sich daraufhin zurück. Duncan wurde sich wieder seiner selbst bewußt.
    Ein Mensch, der sich mit ihnen niedergelegt hatte, nicht mehr gewesen war als sie.
    Er stemmte sich hoch und taumelte zum Ausgang. Die Beine klappten unter ihm zusammen, als er nach dem Handgriff langte, die Finger zu schwach, um

Weitere Kostenlose Bücher