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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Schiffsnacht sie umgab, erfolgte erneut ein Sprung, bald darauf ein zweiter. Duncan kauerte sich in seiner Ecke zusammen, preßte die Kiefer aufeinander, um der Übelkeit zu begegnen, war anschließend benommen und hatte ungeheure Lükken in seinem Gedächtnis. Am Morgen fand er die Kraft, um taumelnd sein unordentliches Lager zu verlassen, vom Selbstekel getrieben zu baden und seinem schmerzenden Magen schließlich etwas Nahrung zu geben. Aber an den besseren Teil des Tages konnte er sich nicht klar erinnern.
    Niun betrachtete ihn finster und wartete, so dachte Duncan abwesend, darauf, daß er starb oder die Schwäche abschüttelte. Und Duncan spürte die Verachtung wie eine fühlbare Kraft, beugte den Kopf auf die Arme und brütete verzweifelt darüber nach; wie er dem Band die Kontrolle entreißen konnte, bevor die Fehlfunktion sie alle tötete – wie er sie zu einer zufälligen, verlorenen Zuflucht bringen würde, wo die Menschheit sie nicht finden konnte.
    Aber er war nicht in der Lage, das zu tun, und in seinen klareren Momenten gestand er sich das ein. Die Mri konnten überleben, solange das Schiff funktionierte. Er fing an, wie besessen an Selbstmord zu denken, brütete darüber und erinnerte sich dann in seinen angstvollen und im Kreise laufenden Gedanken daran, daß keine Drogen mehr da waren.
    »Tsi'mri«, bezeichnete ihn Niun schließlich, nachdem er aufgestanden war und ihn eine Zeitlang angestarrt hatte.
    Verachtung brannte in der Stimme des Mri. Er ging weg, und die Empörung darüber gab Duncan die Kraft, aufzustehen und gegen die Benebelung seiner Sinne zu kämpfen. Sofort wurde ihm wieder übel; diesmal erbrach er sich in die Toilette, blinzelte die Tränen aus den Augen, wusch sich das Gesicht und versuchte, das Zittern zu beherrschen, das durch seine Glieder lief.
    Und er kehrte ins Wohnquartier zurück und versuchte, über den nackten Boden in seiner Mitte zu gehen. Er hatte es halb geschafft, bevor seine Wahrnehmung sich von innen nach außen wendete und er aus dem Gleichgewicht taumelte. Er warf sich zur Wand hin, tastete wild, fand sie und brach an ihr zusammen.
    Niun stand dabei und sah zu. Duncan hatte es nicht bemerkt. Niun betrachtete ihn mit verschleiertem Gesicht von Kopf bis Fuß.
    »Du warst Kel'en«, sagte er dann. »Was bist du jetzt?«
    Duncan kämpfte um Worte, fand keine, die herauskommen wollten. Niun ging zu seinem Lager und setzte sich dort nieder, und Duncan setzte sich, wo er war, auf den harten Boden, wollte aufstehen und gehen und den Mri belügen. Er konnte es nicht. Niuns Verachtung nagte an ihm. Er begann wieder, mit der Zeit zu rechnen, wieviele Tage er auf diese Art verloren hatte, geistlos und desorientiert.
    »Eine Frage«, sagte er auf Hal'ari. »Wieviele Tage – wieviele sind vergangen?«
    Er erwartete keine Antwort von Niun, war innerlich darauf vorbereitet, daß dieser schwieg oder eine Gehässigkeit äußerte. »Vier«, sagte Niun ruhig. »Vier, seit du krank bist.«
    »Hilf mir«, bat Duncan, zwang die Worte zwischen den Zähnen hindurch. »Hilf mir aufzustehen!«
    Schweigend erhob sich der Mri, trat zu ihm und faßte ihn am Arm, zog ihn auf die Füße und half ihm beim Gehen, bot ihm den Halt, der ihm die Bewegung ermöglichte. Duncan kämpfte um die Klarheit seiner Sinne, versuchte, ihnen vorzulügen – überredete Niun dazu, ihn durch die Instandhaltungsroutine in ihrem Sektor zu führen, versuchte, das zu machen, was er gewöhnt war.
    Er ruhte sich aus, so gut er konnte, die Muskeln immer noch angespannt. Und er begann den nächsten Morgen und den darauffolgenden und den nächsten mit der Entschlossenheit, daß der nächste Sprung ihn nicht zugrunde richten würde.
    Der Sprung kam, Tage später, und diesmal stand Duncan fest am Handgriff und kämpfte gegen die Übelkeit. Schon kurze Zeit später versuchte er, zur Halle zu gehen, schaffte es und kehrte erschöpft zu seinem Lager zurück.
    Er hätte, dachte er mit zunehmender Bitterkeit, die Mri sterben lassen können; er hätte Bequemlichkeit und Sicherheit haben können. Er haßte Niuns Fähigkeit, die Sprünge zu ertragen, die Geistesnatur, die das Umstülpen nach innen und außen ertragen konnte, ohne sich aufzulösen.
    Und Niun ließ sich, ob er nun seine Bitterkeit spürte oder nicht, dazu herab, wieder mit ihm zu sprechen – saß neben ihm, in Anspruch genommen von einer einseitigen Konversation auf Hal'ari, als ob es eine Rolle spielte. Manchmal rezitierte er Gesänge und bestand darauf, daß

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