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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Duncan sie wiederholte, sie lernte. Duncan gehorchte lustlos, um Frieden zu haben, um endlich alleingelassen zu werden, wiederholte die endlosen Ketten von Namen und Zeugungen und Worten, die ihm nichts sagten. Es kümmerte ihn wenig, und schließlich bemitleidete er den Mri, der seine Geschichte und seine Mythen in solch einem versagenden Schiff ausbreitete. Er fühlte sich wie in einer abschüssigen Kurve, die Schlacht war zu spät gewonnen worden. Er konnte keine Nahrung mehr unten behalten, die Glieder wurden schwach; er wurde dünner als der Mri und zerbrechlicher.
    »Ich sterbe«, vertraute er Niun schließlich an, als er genug Hal'ari für solch einen Gedanken gelernt hatte. Niun blickte ihn sachlich und unverschleiert an, wie immer, wenn er sich mit ihm auf einer persönlichen Ebene unterhielt. Duncan jedoch zog den Schleier nicht herab, zog seine Verhüllung vor.
    »Hast du den Wunsch, zu sterben?« fragte ihn Niun in einem Ton, der vollen Respekt für einen derartigen Wunsch ausdrückte. Für einen Augenblick war Duncan überrascht, begriff, daß der Mri ihm auf der Stelle dabei helfen würde. »Möchtest du einen Becher mit Wasser?« Der Tonfall wäre derselbe gewesen.
    Er suchte nach Worten, mit denen er antworten konnte. »Ich möchte«, sagte er, »mit euch gehen. Aber ich kann nicht essen. Ich kann nicht schlafen. Nein, ich will nicht sterben. Aber ich sterbe.«
    Niun runzelte die Stirn und blinzelte mit den Augen. Er streckte eine schlanke, goldene Hand aus und berührte Duncans Ärmel. Es war eine seltsame Geste, ein Ausdruck des Mitleids, hätte er den Mri nicht besser gekannt.
    »Bleib am Leben«, wünschte Niun ernsthaft.
    Duncan weinte beinahe, konnte es aber unterdrükken.
    »Wir werden Shon'ai spielen«, sagte Niun.
    Es war Wahnsinn. Duncan hätte es abgelehnt, denn seine Hände zitterten und er wußte, daß er danebengreifen würde: es fiel ihm ein, daß dies ein Weg war, ihm den Tod zu gewähren. Aber Niuns Freundlichkeit versprach anderes, versprach Gesellschaft und Beschäftigung für die langen Stunden. Man konnte nicht an etwas anderes denken und dabei Shon'ai spielen.
    In der Nachbarschaft eines roten Sterns, an fünf Tagen ohne Sprung, spielten sie Shon'ai und unterhielten sich, unverschleiert. Es gab einen Gesang zum Spiel und einen Rhythmus der Hände, der das Auffangen noch schwieriger machte. Duncan lernte ihn, und er lief selbst am Rande des Schlafes noch durch sein Gehirn, betäubte ihn, beanspruchte sein Bewußtsein vollständig. Zum erstenmal seit ungezählten Nächten schlief er tief, und am Morgen aß er mehr, als er zuvor gekonnt hatte.
    Am sechsten Tag in der Nähe dieses Stern spielten sie schneller, und Duncan erlitt bei einem Treffer eine Knochenverletzung und erfuhr, daß Niun ihn nicht länger an der Hand halten würde.
    Zwei weitere Male wurde er getroffen, einmal durch Nervosität danebengreifend und einmal durch Zorn. Niun erwiderte einen Wurf mit größerem Geschick als Duncan es schaffen konnte, nachdem dieser sich, gereizt durch den ersten Treffer, dem Mri gegenüber einen Foulwurf geleistet hatte. Duncan verarbeitete den Schmerz und erfuhr, daß es das Erleiden von größerem Schmerz und die Niederlage im Spiel bedeutete, wenn man durch Angst oder Zorn die Konzentration einbüßte. Er sammelte sich und widmete sich dem Shon'ai mit tiefstem Ernst, immer noch mit Stäben und nicht mit geschärftem Stahl, womit das Kel spielte.
    »Warum«, fragte er Niun, als er genug Wörter dafür hatte, »habt ihr ein Spiel, in dem ihr eure Brüder verletzen könnt?«
    »Man spielt Shon'ai «, erklärte Niun lapidar, »um das Leben zu verdienen, um den Geist des Volkes zu spüren. Man wirft. Man erhält. Wir spielen, um das Leben zu verdienen. Wir werfen. Mit leeren Händen warten wir. Und wir lernen es, stark zu sein.«
    Es gab eine Schwelle der Furcht in dem Spiel, die Gewißheit, daß es eine Gefahr gab, daß es keine Gnade gab. Nach einer Zeit konnte man ein sicherer Spieler sein, solange die Geschwindigkeit innerhalb der Grenzen des eigenen Geschicks blieb, und dann doch erkennen, daß es sehr ernst wurde, wenn die Geschwindigkeit zunahm. Angst tauchte auf, die Nerven versagten, und das Spiel ging unter Schmerzen verloren.
    Spiele, riet ihm Niun , um das Leben zu verdienen! Wirf dein Leben, Kel'en, und fang es mit deinen Händen!
    Er begriff, und damit gleichzeitig noch etwas anderes, warum die Mri große Freude an solch einem Spiel haben konnten.
    Und zum erstenmal begriff

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