Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
er die eigentümliche Verrücktheit, mit der die Mri nicht nur überleben, sondern sich auch am unnatürlichen Gefühl der Sprünge ergötzen konnten, durch die sich das Schiff scheinbar zufällig von Stern zu Stern warf.
    Zwei weitere Male sprangen sie, und Duncan stand ruhig und wartete, als die Klingel schrillte und die Auflösung einsetzte. Er beobachtete den Mri, kannte den Geist des Kel'en, der ihm gegenüberstand, wußte, wie man sich gehen ließ und völlig im Rhythmus des Spieles aufging, mit dem Schiff ging und sich nicht fürchtete.
    Beim zweiten dieser Sprünge brach er in ein wildes Gelächter aus, denn die Ausbildung des Dienstes hatte auf das Überleben abgezielt, die des Spieles dagegen etwas komplex Fremdartiges: eine sorglose Verrücktheit, der Mut der Mri.
    Kel'en.
    Er hatte etwas verloren, etwas, dem er einst Wert beigemessen hatte, und wie bei den anderen Besitztümern, die er dem Vergessen überantwortet hatte, war das Gefühl des Verlustes schwach und fern.
    Niun betrachtete ihn, schätzte ihn schweigend ab, und er begegnete diesem Blick direkt, während ihm der Verlust noch zu schaffen machte. Eines der Dusei, das kleinere, stieß mit der Nase gegen seine Hand. Er riß sie zurück und wandte das Gesicht von Niuns kritischem Blick ab. Er ging mit regelmäßigen Schritten zu seiner Ecke, während die Sinne ihn zu betrü- gen versuchten und doch nicht die Macht dazu hatten.
    Er war nicht der, den Stavros lanciert hatte.
    Er saß auf seinem Lager und starrte auf die zerkratzte Tagezählung, die er begonnen und dann versäumt hatte. Es war nicht mehr die verstreichende Zeit, die eine Rolle spielte, sondern das, was vor ihm lag – genug Zeit, um in der Tat vergessen zu können.
    Das Schreiben vergessen, die menschliche Sprache, Kesrith. Es gab Lücken in seiner Vergangenheit, nicht allein in den letzten Tagen, diesen fiebrigen und furchtbaren Stunden; es gab andere, die aus seinem Gedächtnis seltsame und sich verschiebende Muster machten, als ob einige der Dinge, an die er sich erinnerte, zu fremd waren in diesem Schiff und auf dieser langen Reise.
    Die Dunkelheit, von der Niun sprach, fing an, solche Dinge zu verschlucken, wie ihr Maß, Ziel und Sinn fehlten.
    Mit derselben Metallkante, mit der er die Markierungen gemacht hatte, zerkratzte er sie, löschte er die Aufzeichnung aus.

12
    Die verlorenen Tage multiplizierten sich zu Monaten. Duncan verbrachte sie mit der sorgfältigen Einhaltung von Instandhaltungsplänen, zerlegte Geräte, die es nicht brauchten, und setzte sie wieder zusammen, nur um beschäftigt zu sein. Er spielte Shon'ai , wenn Niun einverstanden war, lernte bedeutungslose Namensgesänge auswendig und studierte fortwährend die Wörter ein, die er kürzlich in Hal'ari gelernt hatte, während seine Hände Beschäftigung bei dem Knotenspiel fanden, das Niun ihm beibrachte, oder in der Küche oder bei welcher Arbeit auch immer, die er sich für den Moment ausdenken konnte.
    Er lernte Metallbearbeitung, eine zum Kel passende Fähigkeit, und Schnitzen, fertigte in Plastik die grobe Gestalt eines Dus, für die er zu Anfang keinen praktischen Nutzen fand. Und dann fiel ihm ein Zweck ein. »Bring sie der She'pan«, sagte er, als er sie so gut es ging fertiggestellt hatte, und drückte sie Niun in die Hand.
    Der Mri blickte ihn sehr bekümmert an. »Ich werde es versuchen«, sagte er mit verblüffender Ernsthaftigkeit, stand gleichzeitig auf und ging, als handele es sich um eine Sache des Augenblicks, statt des Zufalls.
    Es dauerte lange, bis er zurückkam. Er setzte sich auf den Boden und stellte die kleine Dus-Figur zwischen sich und Duncan auf die Matte. »Sie will sie nicht, Kel Duncan.«
    Keine Entschuldigung für die Gehässigkeit der She'pan; es war unmöglich, daß Niun eine Entschuldigung für eine Entscheidung der She'pan vorbrachte. Er begann zu verstehen, warum Niun schon beim Versuch gezögert hatte, ihr das Geschenk zu bringen, und nach einer Weile stieg ihm die Hitze ins Gesicht. Er verschleierte sich nicht, sondern starrte mürrisch zu Boden, auf die ungestalte und zurückgewiesene kleine Figur.
    »So«, sagte er mit einem Achselzucken.
    »Es war bu'ina'anein – du bist eingedrungen«, sagte Niun.
    »Anmaßung« , übersetzte Duncan.
    »Es ist noch nicht die Zeit dafür«, sagte Niun.
    »Wann wird sie sein?« fragte Duncan scharf, hörte, wie der Mri leise die Luft einsog. Niun verschleierte sich beleidigt und stand auf.
    Mißachtet lag dort die kleine Figur für zwei

Weitere Kostenlose Bücher