Shon'jir – die sterbende Sonne
seinem Namen; er ist der erste im Kel.«
»Es tut mir leid«, sagte er, kam herbei und setzte sich ihr zu Füßen, und auch das Dus kam und sank zwischen ihnen zu Boden. Das Tier fühlte sich unbehaglich. Er beruhigte es mit der Hand.
»Was«, wollte Melein wissen, »hat dich veranlaßt, zu mir zu kommen?«
Die Frage schlug ihn mit Verwirrung – sie war grob und abrupt und dazu angetan, in ihn zu lesen. Er zuckte die Achseln und versuchte, an etwas am Rand der Wahrheit zu denken, aber es gelang ihm nicht. »She'pan, ich bin eine Hilfsquelle für dich. Und ich wünschte mir, daß du einen Nutzen aus dem ziehst, was ich weiß – solange noch Zeit ist.«
Die Membran zuckte über ihre Augen, und das Dus hob den Kopf. Sie beugte sich vor und besänftigte das Tier, ihre Finger fuhren zärtlich über den samtigen Pelz. »Und was weißt du, Kel Duncan, das dich so plötzlich mit Sorgen erfüllt?«
»Daß ich euch lebendig heimbringen kann.« Er legte die Hand auf das Dus, verspürte dabei keine Angst, und blickte der She'pan in die goldenen Augen. »Er hat mich unterwiesen; ist nicht die Bedienung von Schiffen Teil der Fähigkeiten eines Kel'en? Wenn er lernen will, werde ich ihn unterrichten; und wenn nicht – dann werde ich mich selbst um das Schiff kümmern. Sein Geschick liegt bei den Yin'ein , und darin wird meines nie an ihn heranreichen – aber dies kann ich machen, dies eine. Meine Gabe an dich, She'pan, und für dich von großem Wert, wenn du die Heimatwelt erreichst.«
»Handelst du?«
»Nein. Es gibt kein wenn dabei. Eine Gabe, sonst nichts.«
Ihre Finger streichelten weiterhin den warmen Pelz des Dus. Ihr Blick hob sich. »Bist du mein Kel'en, Kel Duncan?«
Für einen Augenblick stockte ihm der Atem. Das Hal'ari, das Kel-Gesetz hatte begonnen, in seinem Verstand zu strömen wie Blut in den Adern. Die Frage stand im Raum, es gab nur Ja oder Nein, und danach gab es kein zurück mehr.
»Ja«, sagte er, und das Wort kam fast unhörbar über seine Lippen.
Ihre schlanken Finger glitten zu seinen, nahmen seine breite Menschenhand. »Wirst du dich nicht gegen uns wenden, wie du dich gegen deine eigene Rasse wendest?«
Das Dus bewegte sich unter Duncans Schock; er hielt es fest, beruhigte es mit beiden Händen und blickte nach einem Moment Melein in die klaren Augen.
»Nein«, urteilte sie in Beantwortung ihrer eigenen Frage, und wie sie darauf kam, aus welcher Quelle sie schöpfte, wußte er nicht. Ihre Sicherheit bestürzte ihn.
»Ich habe einen Menschen berührt«, sagte sie, »und gerade in diesem Augenblick tat ich es nicht.«
Ihn fror. Er hielt sich am Dus fest, bezog Wärme von ihm und starrte Melein an.
»Was willst du machen?« fragte sie.
»Gib mir Zugang zu den Kontrollen! Laß mich die Maschinen warten, tun, was nötig ist! Wir hatten eine Fehlfunktion. Eine weitere können wir uns nicht leisten.«
Er erwartete Ablehnung, rechnete mit langen Tagen, mit Monaten der Auseinandersetzung, um das von ihr zu erreichen.
Aber die Kontrollen, dachte er, waren nie abgeschlossen gewesen. Und Melein senkte die Bernsteinaugen und gab ihm durch diese schweigende Geste die Erlaubnis. Sie hob die Hand und wies zur Tür.
Er zögerte, raffte sich dann auf, widmete ihr eine ungeschickte Geste der Höflichkeit und ging.
Sie folgte ihm. Er hörte ihre leichten Schritte hinter dem Dus. Und als er sich im hellerleuchteten Kontrollraum an die Konsole setzte, stand sie an seiner Schulter und sah zu. Er konnte ihr weißgewandetes Spiegelbild auf den Schirmen sehen, die das Sternenfeld zeigten.
Er fing an, die Testreihen zu durchlaufen, nach denen ihn verlangt hatte, und verbannte Meleins Anwesenheit aus seinen Überlegungen. Seitdem er das letztemal von den Kontrollen geschickt worden war, hatte er gefürchtet, daß das Schiff nicht in der Lage sein würde, gänzlich unter Automatik eine so lange und schwere Reise zu machen; aber zu seiner Erleichterung erwiesen sich alle Systeme als funktionsfähig, nichts versagte, und es gab keine haarbreiten, ruinösen Felder, durch die sie für immer in diesem nicht kartographierten Raum verloren sein würden.
»Alles in Ordnung«, berichtete er Melein.
»Hast du etwas besonderes gefürchtet?«
»Nur Vernachlässigung, She'pan«, sagte er.
Sie stand neben ihm und schien gelegentlich das Spiegelbild seines Gesichtes zu betrachten, wenn er hin und wieder in das ihres Gesichtes blickte. Er war zufrieden damit, dort zu sein, wo er jetzt war, und die Dinge zu tun, an die
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