Shon'jir – die sterbende Sonne
sich seine Hände so gut erinnerten. Er wiederholte Durchläufe, die er bereits gemacht hatte, nur um zusätzliche Zeit zu gewinnen, bis Melein des Stehens müde wurde, sich von seiner Schulter löste und den Platz des Kopiloten jenseits der Konsole einnahm.
Sie war einsam und vielleicht interessiert an dem, was er tat. Ihm fiel ein, daß ihr derlei Geräte nicht unbekannt waren, nur die von Menschen gefertigten, und er traute sich nicht, in ihrer Anwesenheit zuviel zu versuchen. Sicherlich wußte sie, daß er Operationen wiederholte.
Er ergriff die Chance.
VERSTRICHENE ZEIT, befragte er den Datenspeicher.
Ablehnung blitzte als Antwort. KEINE AUFZEICHNUNGEN.
Er fragte nach anderen Einzelheiten. KEINE AUFZEICHNUNGEN, KEINE AUFZEICHNUNGEN, antwortete der Speicher.
Etwas Kaltes und Hartes schwoll in seiner Kehle. Vorsichtig checkte er den Status der Navigationsbänder, ob der entgegengesetzte Kurs verfügbar war, um ihn wieder heimzubringen.
UNTER VERSCHLUSS, blitzte ihm der Schirm zu.
Er hielt inne, dachte an die mit dem Bandmechanismus verbundene Selbstzerstörung. Ein schrecklicher Verdacht kroch durch seine Erinnerungen.
Wir wollen nicht, daß zufällig etwas mit Ihnen zurück kommt.
Stavros' Worte!
Schweiß sickerte an seiner Seite hinab. Er spürte, wie er auf dem Gesicht kribbelte, wischte sich mit der Handkante über den Mund und versuchte, die Geste zu verbergen.
Das Dus kam näher, trat schnüffelnd zwischen sie und schob seine Nüstern dicht an die feinen Instrumente heran. »Verschwinde von hier!« forderte Duncan. Es legte sich nur nieder.
»Kel'en«, sagte Melein, »was siehst du, das dir Sorgen macht?«
Er befeuchtete die Lippen und blickte sie an. »She'pan – wir haben kein Leben gefunden... ich kann die Welten nicht mehr zählen, und wir haben kein Leben gefunden. Was läßt dich damit rechnen, daß es auf eurer Heimatwelt anders aussieht?«
Ihr Gesichtsausdruck wurde unlesbar. »Findest du da einen Grund, Kel'en, zu denken, daß dies nicht der Fall sein wird?«
»Ich habe hier einen Grund gefunden – zu glauben, daß dieses Schiff gegen meine Eingriffe abgesichert worden ist. She'pan, wenn dieses Band durchgelaufen ist, kann es sein, daß wir keine navigatorischen Unterlagen mehr haben.«
Die Lider über den Bernsteinaugen zuckten. Sie saß still, die Hände im Schoß gefaltet. »Hast du geplant, uns zu verlassen?«
»Wir werden vielleicht flugunfähig sein. Wir werden keine Wahl mehr haben, She'pan.«
»Wir hatten nie eine.«
Er holte tief Luft, wischte sich den auf seinen Wangen kaltgewordenen Schweiß ab und ließ den Atem wieder fahren. Ihre Ruhe war unerschütterlich und völlig rational: Shon'ai ... für sie war der Wurf gemacht, schon mit der Geburt. Es war wie bei Niun mit seinen Waffen.
»She'pan«, sagte er ruhig, »du hast jede Welt benannt, an der wir vorbeigekommen sind. Kennst du die Zahl derer, die noch vor uns liegen?«
Sie nickte nach Art des Volkes, ein Neigen des Kopfes nach links. »Bevor wir die Heimatwelt erreichen«, sagte sie, »kommen noch Mlara und Sha, Hlar und Sa'o-no-kli'i.«
»Vier«, sagte er, wie gelähmt durch die plötzliche Kenntnis vom Ende der Reise. »Hast du es ihm gesagt?«
»Das habe ich.« Sie beugte sich vor, die Arme auf den weißverhüllten Knien verschränkt. »Kel Duncan, eure Schiffe werden kommen. Sie kommen.«
»Ja.«
»Du hast deinen Dienst gewählt.«
»Ja«, sagte er. »Am Volk, She'pan.« Und als sie ihn weiterhin betrachtete, besorgt über seinen Verrat: »Auf ihrer Seite, She'pan, gibt es so viele Kel'ein, daß einer nicht vermißt werden wird. Aber auf Seiten des Volkes gibt es nur einen – oder zwei, mit mir. Die Menschheit wird einen Kel'en nicht vermissen.«
Melein blickte ihm mit schmerzlicher Intensität in die Augen. »Deine Mathematik ist ohne Fehl, Kel Duncan.«
»She'pan«, sagte er sanft, bewegt durch die Dankbarkeit, die er in ihr erkannte.
Sie erhob sich und ging.
Überließ ihm das Schiff.
Er saß für einen Moment reglos, stellte fest, daß alles in seiner Hand lag und er plötzlich eine Last trug, mit der er nicht gerechnet hatte. Hätte er einen Verrat vorgehabt, dachte er, hätte er ihn jetzt nicht mehr begehen können. Und mit ihnen noch einmal das zu machen, was er auf Kesrith getan hatte, sei es auch nur, um ihr Leben zu retten...
Das wäre keine Handlung der Liebe, sondern der Selbstsucht, jetzt und hiernach. Er kannte sie zu gut, um zu glauben, daß es gut für sie wäre.
Er untersuchte
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