Shopping and the City
6
Die Frusties
Datum: 8. Juli
Stimmung: Schwarzweiß
Jemand hat den Regisseur des Films meines Lebens ausgetauscht, denn in jüngster Zeit scheint alles ein bisschen mehr Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs statt Das süße Leben zu sein.
I ch traf etwas zu früh an der Ecke 64th Street und Madison Avenue ein. Wohl wissend, dass ich we-nigstens eine Viertelstunde auf Evie, die nirgends zu sehen war, warten müsste, ging ich schnurgerade in eine Telefonzelle – welche in NYC zunehmend zur Mangelware wurden. Nachdem ich den koreanischen Lebensmittelhändler um die Ecke erfolglos angebettelt hatte, dieses eine Mal seine »Kein Kauf, kein Wechselgeld«-Regel zu brechen, eilte ich zurück und konnte einem der Chauffeure der Limousinen, von denen ein ganzes Heer vor Barneys Schlange stand, fünfzig Cent abschwatzen. Ich glaube, er hatte Mitleid mit mir, als ich ihm sagte, dass ich kein Handy hatte. Doch ich
versuchte, die positiven Seiten zu sehen. Ganz ehrlich, nach zwei Wochen mit meinem Sidekick hätte ich mich als Weltmeister im Daumenringen qualifizieren können. Ein paarmal auf die Tasten zu drücken genügte, und man konnte seinen Namen auf die Warteliste für die neueste It-Bag setzen, seine wöchentlichen Schönheitspflegetermine abmachen, flirten, sein Neopet füttern und sein Horoskop erstellen, während man für seinen morgendlichen Kaffee anstand.
Ich schob meine beiden 25-Cent-Stücke in den Schlitz der oben erwähnten Mangelware, wählte die Nummer meines verschollenen Handys und betete. Meine Gebete blieben zwar unbeantwortet, dafür war ich momentan wie gelähmt, als mein Anruf es nicht blieb.
» Pronto ?«, meldete sich die selbstsichere, klare Stimme einer jungen Frau. Wer ist denn das ?, fragte ich mich wie vom Donner gerührt. » Pronto, si? Con chi parlo? «, wiederholte sie auf Italienisch. Sie klang extrem sexy und sah aller Wahrscheinlichkeit nach wie eine atemberaubende, jüngere Version von Monica Bellucci aus.
»Hallo, kann ich Paolo sprechen?«, stammelte ich.
» Che ?«
»Hallo, hier spricht Imogene«, sagte ich. »Ich versuche, Paolo zu erreichen. Ist er da?«
» Chi sta parlando ?«
»Hören Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind«, hörte ich meine zunehmend schärfere Stimme erklären, »aber Sie sprechen auf meinem – Imogenes – Handy, welches
sich, als ich es zum letzten Mal sah, im Besitz von jemandem namens Paolo befand. Kennen Sie ihn?«
» Come? Con chi vuole parlare? Chi è ? ALL-O, du ist da? Wer du sein, ja?« Man mische eine Sprachbarriere mit schlechtem Handy-Empfang und sprenkle alles mit einer kräftigen Dosis Zorn, und schon erhält man Folgendes: »WER SIND SIE UND WARUM MELDEN SIE SICH AUF MEINEM HANDY?!!«
» He, parli più forte! Parli in Italiano! Non La capisco !« Was übersetzt wahrscheinlich so viel bedeutet wie: »Hast du sie nicht mehr alle? Was schreist du hier so herum, du Irre, ich verstehe dich nicht, du Dummkopf!«
»Wie kommen Sie an mein Handy? Wo ist Paolo? Hat Paolo Ihnen mein Handy gegeben?!«
»Paolo, si , ja. Du wollen sprechen mit Paolo, äh? Ah, warum du nicht sagen?« Dann brüllte die sexy Stimme, ohne auf meine Antwort zu warten, »Paolo!« nach hinten, bevor sie wieder zu mir sprach. » Rimanga in linea per favore – bleib dran. PAOLO! PAOLO!!!! AL TELE-FONOOOOO!!! «
Diesem Ausbruch von Geschrei folgte eine weitere, noch längere Pause, in der ich nervös mit meinem Daumen spielte.
»All-oo – Mamma dice che Paolo non c’è ora. Capisce? – Mi capisce ? Allo? Al-lo?«
»Welche Mama? Was ist hier los?«
»Du verstehen? Paolo nicht sein hier jetzt. Du wollen geben Nachricht für ihn?« Zumindest glaube ich, dass sie das sagte, denn ihr Akzent war sehr schwer zu verstehen.
»Ja, unbedingt! Es ist sehr wichtig! Sagen Sie ihm bitte, er soll mich anrufen unter 212 -« Ein plötzliches Piepen unterbrach unser zweisprachiges Tête-à-tête, und eine Stimme vom Band, der freundliche Dienst von Verizon, sagte: »Bitte geben Sie fünfzig Cent in den Schlitz.«
Obwohl ich wusste, dass ich kein Kleingeld hatte, wühlte ich hektisch in meiner Handtasche, fand allerdings nichts außer einem halb gegessenen Apfel, den ich von Ians Schreibtisch stibitzt hatte, und die übrig gebliebenen Krümel eines altbackenen, gebutterten Bagels, mit dem Brooke heute Morgen nach mir geworfen hatte. Woher sollte ich denn wissen, als sie mir aufgetragen hat, ihr Frühstück zu bestellen, dass in der Modewelt Butter ein Kapitalverbrechen
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