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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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gelangweilter wie freundlicher Stimme die Sehenswürdigkeiten aufzählte. Ich hielt mit den Händen den blauen Schal umklammert, den ich mir über die Schultern geworfen hatte. Henry hatte seine Hände im Schoß und drehte unablässig seinen Ehering am Finger herum. Auf dem Vordersitz saß Ronny und starrte mit offenem Mund nach draußen. Lucy blies sich auf ihre frisch lackierten violetten Fingernägel. Es lag eine Spannung in der Luft, wie ich sie sonst nur in einem Stadion kurz vor Beginn eines Spiels erlebt habe, oder in den Sitzreihen einer Grundschulaula, kurz bevor die Kinder auf die Bühne kommen, um etwas aufzuführen. Lucy hatte im Fernsehen einen Bericht über die morgige Hochzeit gesehen.
    »Sie haben gesagt, die ganzen großen Tiere aus der Stadt hier würden morgen da sein, alles, was Rang und Namen hat«, erzählte sie uns in der Lobby.
    »Ich frage mich, wie wir da wohl reinpassen«, sagte Henry mit einem halbherzigen ironischen Unterton.
    »Wo findet die Trauung eigentlich statt?«, fragte ich.Lees Einladung war so vage gewesen; sie hatte nur diesen Zettel und die Flugtickets enthalten.
    »Ich weiß nur, dass wir morgen Nachmittag um fünf in irgend so ’ner Villa sein sollen. Lee hat sonst nichts weiter gesagt.«
    »Ist Chloe denn religiös?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, antwortete Henry.
    »Also keine Kirche?«, hakte ich nach.
    »Kip und Felicia haben auch nicht in der Kirche geheiratet«, entgegnete er.
    »Nein, wohl eher nicht.«
    Der Chauffeur hielt in einer baumlosen Straße mit Kopfsteinpflaster und öffnete uns die Wagentür. Henry versuchte, ihm ein Trinkgeld zuzustecken, aber der Mann winkte ab.
    »Gern geschehen!«, sagte er. »Ihr Leute wart mal was anderes. Echt spaßig. Jetzt müsst ihr einfach nur dort reingehen. Nehmt den Lastenaufzug zum vierten Stock. Und ich warte dann hier unten, bis ihr wieder nach Hause wollt. Lasst euch alle Zeit der Welt.«
    Er winkte uns zum Abschied und lehnte sich dann gegen die Motorhaube des Autos. Wir konnten noch sehen, wie er an irgendeinem teuren Mobiltelefon herumfummelte und sich dabei eine Zigarette anzündete.
    Niemand sagte etwas, während wir in dem Aufzug standen. Lucy und ich zupften die Hemdkrägen unserer Männer zurecht, strichen ihnen das Haar glatt und legten dann schnell noch selbst ein wenig Lippenstift auf. Ich trug ein pfirsichfarbenes Cocktailkleid, das ich schon seit Jahren im Schrank hängen hatte. Ich zog es besonders gerne im Sommer an, dann, wenn meine Haut gebräunt war. Im Winter, wenn sie so schrecklich sonnenverhungert war, ließ michdiese Farbe wie ein Geist aussehen, aber jetzt, nach Monaten des Joggens und der Gartenarbeit und der zahlreichen Nachmittage, an denen ich den Kindern beim Fußballspielen zugeschaut hatte, wirkten in diesem Kleid sogar meine Muttermale und Sommersprossen elegant. Ich brauchte mich nicht zu verstecken.
    Ronny zog schwungvoll die Aufzugstür hoch, mithilfe eines daran angebrachten alten Lederriemens. In einer Ecke des Raumes legte ein DJ Platten auf und leichte, unterhaltsame Musik durchdrang den Raum. Überall auf der Party unterhielten sich die Leute angeregt, einige von ihnen wiegten sich bereits im Takt der Musik. Die Luft roch nach Limettensaft und Alkohol, teurem Parfüm und Meeresfrüchten. Es waren jetzt schon an die hundertfünfzig Leute da, Schulter an Schulter gedrängt.
    »Eine Sekunde noch«, sagte Lucy. »Geht ihr schon mal vor, ich muss Beth noch was fragen.« Lucy wartete, bis die beiden Männer den Aufzug verlassen hatten, dann drückte sie den Knopf fürs Erdgeschoss und zog mit Wucht die Aufzugstür nach unten.
    »Also, äh, hör zu«, sagte sie. »Ich wollte wirklich mitkommen, zu dieser Party, weißt du, und Ronnys Freunden vorgestellt werden, und ehrlich, es war toll, dich und Henry besser kennenzulernen, und das Hotelzimmer ist irre und Ronny ist richtig toll, aber ich muss dir was sagen.«
    » Was musst du mir sagen?«
    Der Aufzug hielt im Erdgeschoss. Zwei elegant gekleidete Paare schickten sich an, den Aufzug zu betreten, und Lucy zog mich schnell hinaus. Unsere hochhackigen Schuhe klapperten laut über den Stahlboden der Kabine. Die Partygäste, die jetzt im Aufzug standen, warfen uns einen belustigten Blick zu. Ich glaubte, eine der Frauen zu erkennen.Sie spielte in der Lieblingsserie meiner Mutter mit. Wir gingen auf den mit Ziegelsteinen gepflasterten Bürgersteig hinaus.
    »Du weißt, womit ich mein Geld verdiene«, sagte Lucy. »Ich meine, du weißt, wie ich

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