Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
Vom Netzwerk:
seiner Familie gehörten. Aber es fühlte sich gut an, diese Worte, dieses Gelübde auszusprechen. Und ich weiß noch, wie glücklich ich war, als ich ihm unverwandt ins Gesicht schaute, als ich nur ihn sah.
    Und während ich dort draußen vor der stickigen Loftwohnung stand, neben Lee auf der von einem leichten Wind umwehten Terrasse, den Geschmack der Mentholzigarette noch im Mund, die erfrischende Kühle des Champagnerglases an meinen Fingern, da erinnerte ich mich auch daran, wie ich an Lee gedachte hatte, während ich mein Gelübde aussprach – wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde –, wie ich an jene Nacht in dem alten Farmhaus gedacht hatte und dass das wohl das einzige Mal gewesen war, dass ich Henry jemals wirklich betrogen hatte. Denn das könnte ich ihm nie erzählen. Henry und ich sind nun seit fast zehn Jahren verheiratet und falls ich irgendwelche Geheimnisse vor ihm hatte, dann waren es nur sehr harmlose: Geld, das ich beim Einkaufen ausgegeben oder für die Ausbildung der Kinder gehortet hatte, denKnoten, den ich eines Morgens in meiner Brust entdeckt und der sich aber dann als gutartig herausgestellt hatte, meine heimliche Hoffnung, dass wir öfter Urlaub machen können, wenn die Kinder erwachsen sind und auf die Universität gehen. Ich fragte mich, ob Lee wohl an mich denken würde, während er Chloe sein Eheversprechen gab, oder ob er überhaupt je auf diese Weise an mich dachte.
    »Tja«, sagte er, »ich sollte mich mal wieder unter die Leute mischen.« Er schüttelte Henrys Hand und ging in den Raum voller fremder Menschen.
    Es war ein netter Abend. Keine der Ängste, mit denen wir zu der Party gekommen waren, schien sich zu bewahrheiten. Ein paar Leute aus Lees Plattenfirma machten sich mit uns bekannt. Sie stellten uns Fragen über Little Wing, über die Mühle, darüber, wie Lee als kleiner Junge gewesen war. Mir stockte das Herz, als eine Frau mich fragte: »Und, sind Sie je mit ihm ausgegangen?« Ich weiß, dass ich darauf viel zu lange schwieg, mit zur Seite gelegtem Kopf, bis ich endlich sagte: »Oh nein. Wir sind nur Freunde. Waren wir immer nur, wirklich gute Freunde.«
    Sie wedelte mit der Hand durch die Luft, in einer harmlos frivolen Geste. »Ich dachte nur, weil, es kam mir so vor, als wäre das eine wahnsinnig kleine Stadt. Da schläft doch vielleicht jeder mit jedem.«
    Henry muss unserem Gespräch mit halbem Ohr zugehört haben, denn er stellte sich in diesem Moment hinter mich, schlang einen Arm um meine Taille und sagte: »Ich hoffe doch nicht.« Dann küsste er mich und ich konnte den Alkohol auf seinen Lippen riechen.
    Gegen Mitternacht krochen wir wieder in unser Auto und fuhren durch die immer noch geschäftigen Straßen zum Hotel zurück. Als wir auf unserem Zimmer waren,schlief ich – vom Champagner berauscht – in dem großen weichen Bett sofort ein. Ich glaube, selbst das wilde Hupen von einer Million Taxis hätte mich nicht aus meinen Träumen reißen können.
    Wir verschliefen den ganzen Morgen, bis mittags das Zimmermädchen an unsere Tür klopfte und »Zimmerservice!« rief. Henry beeindruckte mich damit, dass er mit tiefer, dunkler Stimme »GEHEN SIE WEG!« brüllte. Es reichte, um das Zimmermädchen zu verscheuchen. Sie zog sich von unserer Tür zurück und wir konnten ihr Wägelchen hören, wie es klirrend den Gang hinuntergeschoben wurde. Befriedigt drehte sich Henry wieder auf den Bauch und ich schlang meinen Arm um seinen Rücken.
    »So lange haben wir schon seit Jahren nicht mehr geschlafen«, sagte ich.
    »Mein Körper fühlt sich an wie ein Sack nasser Zement«, sagte er.
    »Hast du einen Kater?«, fragte ich.
    »Das auch«, sagte er. »Aber hauptsächlich liegt es daran, dass ich so entspannt bin. Alles fühlt sich schwer an. Schwer und schlaff.«
    »Vielleicht sollten wir öfter mal verreisen«, schlug ich vor. »Wir könnten einfach mal Kurzurlaub machen. Übers Wochenende. Die Kinder bei meinen Eltern lassen. Nach Kalifornien fahren. Oder Vegas.«
    Er seufzte wie ein kleiner Junge. »Ich liebe unser Zuhause«, sagte er in einem fast verletzten Tonfall. »Wir haben dort doch alles, was wir brauchen. Und was ist mit den Kühen? Wer soll sie melken? Wir können es uns nicht leisten, jemanden dafür zu bezahlen. Jedenfalls nicht im Augenblick.«
    »Ich meine ja nur. Weil du gesagt hast, wie entspannt du bist. Ich mach mir Sorgen um dich. Verstehst du? Ich möchte, dass wir Reisen machen, etwas unternehmen. Die Welt sehen. Wird dir das denn nie

Weitere Kostenlose Bücher