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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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zweieinhalb Meter über dem Boden lagen und fast direkt an das unisolierte Dach grenzten. Der Boden war aus Lehm, und ein Großteil der Wand war mit einem schwarzweißen Fresko aus Hühnerkot bedeckt. Die Luft roch nach Harn, fauligem Stroh und kalter nasser Luft.
    Das genügt mir.
    Ich säuberte den Stall so gut es ging. Fegte die verwaisten Vogelnester und toten Mäuse hinaus. Wischte die Spinnweben von Wänden und Decke. Reinigte die Fenster mit Zeitungspapier und Essigwasser. Zwischen die alten Wände und das neue Sperrholz, das ich mit Nägeln daran befestigte, stopfte ich frisches Stroh. Ich kaufte mir fünf rechteckige Strohballen, um etwas zum Sitzen zu haben und meinen Computer darauf abstellen zu können. Der Stall war früher einmal an den Stromkreis angeschlossen gewesen, um die einzelne nackte Glühbirne zum Leuchten zu bringen, die von der Mitte der Decke herabhing. Licht ist gut für Legehühner, es wärmt den Stall und hemmt die Brutbereitschaft. Joaquin half mir dabei, den Stall neu zu verkabeln, und dann fand er noch ein übriggebliebenes Stück Teppichboden, das wir über dem Lehmboden verlegten. Bei einer Auktion in Eleva kaufte ich einen alten Holzofen und stellte ihn in eine Ecke. Joaquin schnitt ein Loch ins Dach, verlegte ein Kaminrohr und isolierte den Abzugskanal.
    Ich hatte ein Tonstudio.
    Der Schnee kam schon sehr früh. Noch vor Thanksgiving. Ich weiß noch, wie ich in meinem Schlafzimmer stand und auf einen Novemberblizzard hinausschaute, der so heftig war, dass ich Beas rote Scheune nicht mehr sehen konnte. Die Mexikaner waren schon zur Arbeit gefahren (sie standen jeden Tag sehr früh auf und arbeiteten bis spät, melkten Kühe und misteten Ställe aus). Ich ging nach unten und kochte mir einen Kaffee. Bea saß im Wohnzimmer und las in einer Ausgabe der National Geographic .
    »Sie sind jetzt schon seit zwei Wochen hier«, sagte sie streng. »Und ich habe noch kein einziges Mal Musik von Ihnen gehört, nicht mal das Radio haben Sie eingeschaltet.«
    »Na ja«, stammelte ich. »Ich war, also, ich habe das Studio eingerichtet … musste mich erst mal einleben und so.«
    »Okay«, sagte sie. »Ich dachte ja nur, weil Sie sagten, Sie seien Musiker.«
    Vielleicht hatte ich ja einfach nur ein wenig Schelte gebraucht, denn von da an stand auch ich immer früh auf – sobald ich die Mexikaner herumwerkeln hörte. Ich frühstückte mit ihnen. Kochte ihnen Kaffee. Wir saßen zusammen in der frühmorgendlichen Dunkelheit und aßen schweigend. Sie gingen, ohne sich zu verabschieden, zwängten sich zu dritt in einen uralten Pick-up und fuhren los. Die Frontscheinwerfer tasteten sich die Veranda entlang und an der Haustür vorbei und dann sah man die Rücklichter rot und schläfrig auf der Straße kleiner werden, bis sie verschwanden. Drei Männer nebeneinander auf der Sitzbank. Garcia in der Mitte, der sich noch den Schlaf aus den Augen rieb und den Rest seiner dick mit Butter und Ahornsirup beschmierten Tortilla aß.
    Ich spülte und trocknete das Geschirr. Räumte die Küche auf. Füllte eine Thermoskanne mit Kaffee und wappnete mich gegen die Kälte. Lange Unterwäsche, dicke Socken, Redwing-Stiefel, Flanellhemd, dicke Jacke, Wollmütze.
    Neunundneunzig Schritte bis zum Stall. Das war meine Pendlerstrecke. Zeit genug, um währenddessen eine halbe Tasse Kaffee zu trinken, wenn nicht gerade so viel Eis, Schlamm oder tiefer Schnee auf meinem Weg lag, dass ich aufpassen musste, nicht auszurutschen. Im Innern des Stalls hatte ich ein paar Scheite trockenes Eichenholz gestapelt und in einem alten Milchkasten aus Plastik lagen ein paar Zeitungsblätter, Kiefernzapfen und Anzündholz. Das war immer meine Lieblingszeit, wenn ich das Feuer anzündete, den Tag begann. Mein Magen war noch ganz voll und warm, der Kaffee schon fertig, meine kalten Finger und Zehen tauten allmählich auf. Manchmal saß ich eine Stunde oder länger über den Ofen gebeugt und wärmte mir einfach nur die Handflächen. Bea gab mir ein altes Kurzwellenradio und ich hörte mir an, was auch immer ich finden konnte: französische Liebeslieder aus Quebec, Zydeco aus New Orleans, Bluegrass aus den Appalachen und sogar die Gospels von irgendeinem örtlichen Bibelsender.
    Und dann kritzelte ich irgendwelche Songs auf, Ideen, Gedichte. Schrieb über all das, wonach ich mich sehnte, was zu der Zeit, wie sich herausstellen sollte, ungefähr alles war, was man sich nur denken konnte. Ich hatte niemandem erzählt, dass ich da war, nicht einmal

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