Showdown
konjunkturellen Entwicklung kommt (Übersetzung: Wenn es halt nicht so toll läuft), darf der Staat davon abweichen.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es im Deutschen Grundgesetz mit Paragraf 115 schon seit Jahrzehnten eine ähnliche Regelung gibt, nach der die Regierung ebenfalls feste Grenzen der Neuverschuldung einzuhalten hat, es sei denn, es liegt eine »Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes« vor. Fast jede deutsche Regierung der Nachkriegszeit hat regelmäßig geglaubt, eine solche »Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes« zu erkennen, um diese Grundgesetzbestimmung schlichtweg zu ignorieren. Hier seien exemplarisch erwähnt: Gerhard Schröder 2002 / 03 , Helmut Kohl in den 1990er Jahren und Helmut Schmidt 1981 .
Wie naiv ist es, anzunehmen, dass unsere europäischen Partner nicht reihenweise die Situation »Es läuft grad net so toll!« erkennen, um die Schuldenbremse nicht einhalten zu müssen.
Aber es wird noch besser. Diesmal hat man nämlich an Strafmechanismen gedacht. Ha! Jetzt aber! So sieht der Fiskalpakt Folgendes vor. Wenn ein unterzeichnender Staat seiner Verpflichtung nicht nachkommt, eine solche wachsweiche Schuldenbremse in seine Gesetze zu schreiben, dann kann jedes andere Land des Vertrags dieses unzuverlässige Land vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagen. Ich habe mit Staatsrechtsexperten gesprochen, die vorsichtig schätzten, dass ein solches Verfahren mindestens zwei bis drei Jahre dauern würde, vermutlich länger, da zuvor erst jede Menge an Überprüfungen, Abmahnungen, Drohungen, erhobenen Zeigefingern und Gegengutachten stehen. Doch sollte es am Ende zu einer Verurteilung und der Höchststrafe kommen, dann muss dieses rechtsbrecherische und unfolgsame Land eine drakonische Geldstrafe in Höhe von 0 , 1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufbringen. Das entspricht im Falle Griechenlands etwa 200 Millionen Euro oder einem Vierzigstel seiner Militärausgaben.
Jetzt sind 200 Millionen für Sie und mich doch recht viel Geld, aber wie realistisch ist es anzunehmen, dass ein einziger griechischer Finanzminister folgende Überlegung anstellen wird: »Wenn ich jetzt wieder 30 Milliarden Euro neue Schulden aufnehme, dann muss mein Nachfolger in drei Jahren möglicherweise 200 Millionen Euro Strafe zahlen, wenn es ganz dicke kommt! Oje, das lass ich lieber, ich verzichte auf die Neuverschuldung.«
Alleine das sollte einem schon anraten, die Tragfähigkeit dieses Fiskalpakts in Frage zu stellen. Aber es kommt noch dicker. Wir können zwar gegen ein Land klagen, das seiner Verpflichtung, eine Schuldenbremse in seine Gesetze hineinzuschreiben, nicht nachkommt. Wenn dieses Land das aber getan hat, sich aber einfach nicht an seine eigenen Gesetze hält oder sie umgeht (siehe Deutschlands regelmäßige Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts), dann können wir nicht mal klagen, dann haben wir einfach Pech gehabt.
Dieser Fiskalpakt ist das Papier nicht wert, auf dem er ausgedruckt wurde.
Um in unserem Bild des Mehrfamilienhauses mit der attraktiven Griechin zu bleiben, fassen wir den Fiskalpakt wie folgt zusammen: Das Einzige, was Sie künftig tun können, ist, auf dem Weg zur Arbeit bei ihr an die Haustür zu klopfen und zu rufen: »Aber gell, nicht so viel Geld ausgeben heute, sonst übernehme ich nächsten Monat deine Kehrwoche nicht.«
Jetzt ist der Moment für den Grappa. Salute!
Ausstieg aus dem Euro?
E s gilt also, so schnell wie möglich diesen Weg, der uns immer weiter geradeaus in die Sümpfe von Mittelerde führt, zu verlassen. Stattdessen sollten wir die mutige Entscheidung treffen, ob wir rechts oder links um den Sumpf herumgehen. Für beide Wege gibt es gute Argumente, und sie sind die einzige echte Wahl, die wir haben. Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer. Mit vielen werden wir nicht einig sein, doch Europa bietet so viel mehr.
Lassen wir die kalauernde Lyrik hinter uns und sehen uns diese beiden Wege an. Da gibt es den Weg rechts um den Sumpf herum, er entspricht der etwas egoistischeren Variante in unserem Wohnhausbeispiel. Ich kann diejenigen gut verstehen, die keine Lust auf ein großes Europa haben und keine Liebesbeziehung mit Spanien und Griechenland eingehen wollen. Der eine oder andere mag denken: »Lasst mich doch mit den Italienern in Ruhe. Urlaub o.k., auf eine Pizza zum Italiener soll mir auch recht sein, aber dann ist auch gut.« Diese Sichtweise entspricht
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