Showdown
stark sich nun Ausgaben oder Kürzungen des Staates auf die Wirtschaft auswirken, gibt es ebenjenen »Fiskalmultiplikator«. Mit dem entscheidet sich alles. Nimmt man ihn als sehr gering an (zum Beispiel 0 , 1 ), dann folgt als Konsequenz, dass ein Sparpaket des Staates sich kaum auf die Wirtschaft auswirkt. Spart der Staat ein Volumen in Höhe von 2 Prozent der Wirtschaftsleistung, würde die Wirtschaft nur um 0 , 2 Prozent schrumpfen. Setzt man diesen Faktor jedoch höher an, sagen wir auf 3 , dann würde eine Einsparung des Staates von 2 Prozent die Wirtschaft um 6 Prozent einbrechen lassen – in der Theorie … Es gibt aber keinen festgelegten Wert für diesen Fiskalmultiplikator. Der lässt sich erst im Nachhinein benennen.
Zurück zum konkreten Fall: Fakt ist, dass die Grundlage der IWF -Empfehlung für die dramatischen Sparpakete ein vom IWF festgesetzter Fiskalmultiplikator von 0 , 5 war. Der IWF ist also davon ausgegangen, dass sich die Sparpakete kaum auf die Konjunktur auswirken würden. Heute gesteht aber selbst der IWF ein, dass ein Wert zwischen 1 und 1 , 7 richtiger gewesen wäre, während übrigens namhafte Ökonomen eher von 2 , 5 ausgehen. Kurzum, die Sparpakete hatten im Gegensatz zur ursprünglichen IWF -Annahme eine verheerende, sich multiplizierende Auswirkung auf den Einbruch der Wirtschaftsleistung des Landes. Solche extremen Sparpakete hätten bei korrekter Zugrundelegung dieser Kennzahl selbst vom IWF niemals aufgelegt werden dürfen.
In Athen führte ich ein Gespräch mit einem Ministeriumsmitarbeiter, der bei den Verhandlungen mit der Troika ( EU , EZB , IWF ) am Tisch saß und die Bedingungen (Memoranden) aushandelte. Verständlicherweise möchte er ungenannt bleiben. Er sagte mir: »Wissen Sie, wie diese Memoranden zustande gekommen sind? Es saßen uns dort Leute aus der Troika gegenüber, die selbst keine Ahnung hatten. Keine sehr ausgebildeten Leute, sondern ganz einfache Beamte, die sagten: Was sollen wir denn da machen? Die haben uns Bullshit erzählt, wir haben denen Bullshit erzählt, und wir haben dann etwas reingeschrieben, von dem wir alle sagten: Das können wir machen. Alle wussten, das wird nichts bringen für Griechenland, aber es ist ein Memorandum, mit dem alle leben können. Beide Seiten, die Griechen wie auch die Troika, wussten, dass das nichts bringen wird, und das haben wir unterschrieben.«
Jetzt kann man darüber streiten, ob es sich bei all dem einfach nur um ideologische, mathematische oder volkswirtschaftliche Dummheit des IWF handelte (dessen unschlagbares Fachwissen wir angeblich dringend benötigten). Oder um die böse Absicht, ein immer selbstbewussteres Europa mit einer Gemeinschaftswährung, die der Vormachtstellung des US -Dollar gefährlich wurde, zu destabilisieren. Fakt ist, dass dieser kleine Rechenfehler zum wirtschaftlichen Zusammenbruch mehrerer europäischer Staaten, zur Verarmung von Millionen Europäern und möglicherweise zum Zusammenbruch des Projekts »Einiges Europa« führt. Ich finde, dass man bei diesen Konsequenzen doch einmal genauer untersuchen sollte, wie es zu dem »Rechenfehler« kam, und vor allem, warum wir, sogar nachdem der IWF diesen Umstand in einer eigenen Studie Ende 2012 eingeräumt hatte und sein Chefvolkswirt Anfang 2013 all das noch einmal eingestand, noch immer nicht von dieser falschen Sparpolitik abkehren. Wir fahren mit Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn, Hunderte kommen uns entgegen, das Autoradio warnt vor einem Geisterfahrer, und unsere Politiklenker halten das Steuer noch immer krampfhaft fest und knurren: »
Ein
Geisterfahrer? Tausende!«
Wenn wir nicht dringend die eingeschlagene Richtung aufgeben und einen völlig neuen Kurs festlegen, fahren wir Europa mit Vollgas an die Wand.
Geht nicht? … Gibt’s nicht!
Das größte akute Problem in einer solchen Situation ist ein Fahrzeuglenker, der sich weigert, über seinen Kurs kritisch nachzudenken, weil er seinen eingeschlagenen Weg für »alternativlos« hält. Wenn ich davon überzeugt bin, dass das, was ich tue, alternativlos ist, erlaube ich mir damit erst gar nicht, Zeit für das Erdenken möglicher Alternativen zu verschwenden, denn es gibt sie ja nicht.
Diese verbohrte Denkweise hat schon Christoph Kolumbus auf die Palme gebracht. Sie erinnern sich an das legendäre Ei des Kolumbus, als er vor seinen dickköpfigen Zuhörern, die alle neuen Denkwege ablehnten, ein Ei legte und sie aufforderte, es auf die Spitze zu stellen? Sie lachten ihn aus und
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