Showdown
immer nur über eine Finanzierung durch neue Schulden, neue Kredite nachzudenken. Doch auch die amerikanischen Eisenbahnlinien wurden zum größten Teil nicht mit Krediten gebaut, sondern mit Eigenkapital. Mit Aktien. Es wäre damals keinem Unternehmer möglich gewesen, so viel Geld alleine aufzubringen, um die Eisenbahnlinien durchs Land zu ziehen. Mit Krediten wäre es wohl auch nie geglückt, das hätte die mit den steigenden Krediten sinkende Bonität die Unternehmungen vermutlich auf halber Strecke erstickt, so wie es aktuell der Energiewende droht. Aber die Gründer der Eisenbahnen haben das Geld ihrer Mitbürger mit Anteilsscheinen – Aktien – eingesammelt. Die Menschen waren fasziniert von der Vision, die die neuen Technologien mit sich brachten.
Amerika erzählte eine Geschichte, die die Menschen glaubten und die sie faszinierte. Sie beteiligten sich an den Eisenbahnen mit ihrem Geldguthaben, und viele wurden dadurch wohlhabend. Andere blieben im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke, weil ihre Eisenbahnlinie pleiteging. Wir sollten daraus zu lernen. Einerseits, dass ein solch gigantisches Infrastrukturprojekt niemals mit Krediten entstehen kann, sondern nur als Massenbewegung der Bürger, die sich mit ihrem eigenen Geld finanziell daran beteiligen. Andererseits, dass es sinnvoll ist, dieses Geld in Fonds zu sammeln, die dann in die verschiedenen Projekte investieren. Auf diese Weise teilt man sich das Risiko und die Chance, so dass alle gleichermaßen vom Gesamterfolg der Infrastrukturwende profitieren. Nicht die einen haben das Glück, die Perlen erwischt zu haben, während andere die Zitronen eingekauft haben, jeder ist an allem beteiligt und somit am Gesamterfolg der kompletten Energiewende. Das Ganze auch noch mit der Garantie des Staates auf das eingezahlte Kapital, der im schlimmsten Falle Eigentümer von Energieinfrastruktur würde.
Diese Energiewende wird mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen, bevor sie flächendeckend vollbracht ist. Zwischen 20 und 40 Jahren wird dieser Umbau vermutlich dauern. Ein jahrzehntelanges Konjunkturprogramm und ein goldenes Zeitalter für ganz Europa. So lange haben auch die Energiekonzerne Zeit, ihren Tanker zu drehen. Bis dahin sind alle konventionellen Kraftwerke abgeschrieben und haben ihren Dienst und Profit erfüllt. Das Erdgas als ideale Übergangstechnologie steht uns in jedem Fall so lange zur Verfügung.
Wenn wir nun die Erkenntnisse über die griechischen und zypriotischen Gasfelder in unsere Überlegungen mit einbeziehen, bekommt das Thema einen krönenden Abschluss. Wenn wir uns nicht von Nobel Energy und Halliburton überholen lassen und es uns gelingt, mit BASF -Wintershall, Total, OMV , Eni und Hellenic Petroleum diese konventionellen Gasfelder für Europa zu erschließen, wären wir in wenigen Jahren bereits zu großen Teilen energiepolitisch autark. Wir könnten unsere Industrie und Bürger bereits jetzt mit billigem Gas aus dem Mittelmeer versorgen und die gewonnene Zeit in den Umbau zu erneuerbaren Energien nutzen. Ein Blick auf den Wohlstand des norwegischen Staates, der sich fast ausschließlich aus seinen Gasfeldern speist, kann uns hier ein Ansporn sein. Es gibt dank dieser Vorkommen absolut keine Notwendigkeit, Chemikalien in den norddeutschen Boden zu pressen, um dort das Gas umweltgefährdend aus dem Boden zu fracken. Auch wenn das mancher internationale Erdölkonzern nicht gerne hört. Lassen wir uns nicht verschaukeln.
Es wird Zeit, dass wir in Europa ein wenig Selbstbewusstsein an den Tag legen. Wir sind die größte Volkswirtschaft der Welt, haben die besten Ingenieure, eine im Vergleich zu anderen Kontinenten funktionierende Demokratie und ein Wertesystem, das auch aus objektiver Sicht zu den am weitesten entwickelten der Welt gehört. Darauf dürfen wir stolz sein. Es wird Zeit, sich wieder auf diese Stärken, Fähigkeiten und Werte zu konzentrieren und unsere Probleme mutig anzugehen. Dazu brauchen wir jedoch auch eine Vision für Europa. Wie soll Europa in 20 Jahren aussehen? Wenn wir dazu keine klare Vorstellung haben, wie können wir dann wissen, welchen Weg wir gehen müssen? Und wie sollen wir ein Ziel erreichen, das wir nicht einmal kennen? Wir brauchen Politiker mit Visionen, die in der Lage sind, eine Geschichte zu erzählen und den Weg vorzugehen. Wir brauchen keine blassen Durchwurschtler, die sich damit begnügen, irgendwie die nächsten Wahlen zu überleben.
Europa und die Lobbyisten
W ir müssen die Politiker
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