Showtime! (German Edition)
Seitenblick zu, unterließ es jedoch Fragen zu stellen, bevor Georgia dazu bereit war, zu reden. An einer S-Bahn-Brücke brachte er den Wagen zum Stehen. «Na los, geh Fahrgäste erschrecken» nickte er ihr zu. «Aber mach nicht zu lange.»
Georgia überlegte erst gar nicht. Sie stieg aus, um das alte Ritual zu vollziehen: Im Schutz der Brücke wartete sie auf die nächste Bahn und schrie ihren wütenden Schmerz aus Leibeskräften in Regen und Lärm, ließ den Zorn, die Verzweiflung, die sie empfand, für einen kurzen, erlösenden Augenblick lang zu, bis die Schlusslichter der Bahn sich entfernten.
Schreien war ein gutes Ventil. Weit weniger mit negativen Nebenwirkungen verbunden als unkontrollierte Zerstörungswut -- und es half.
Als sie zu Manuel zurückkehrte, der sich derweil zu Radiomusik im Ein-Mann-Karaoke gewidmet hatte, war ihr Haar nass und vom Wind zerzaust, das Make-up hin, die bösen Geister der Vergangenheit für den Moment verjagt. Sie grinste.
«Besser?» fragte er. «Du siehst scheußlich aus.»
«Weißt du, du hast Recht» stellte Georgia fest und blickte ihm rebellisch in die Augen, «fuckin' sheilas!»
«Verflixte Mädels?» übersetzte er. «Meine Rede!»
Es war um so vieles leichter, eine Frau verantwortlich zu machen, eine Situation, irgendetwas, dass die Marter von neuem ausgelöst hatte, statt die Vergangenheit zu vergessen.
«Maske!» schrie Georgia in alles Himmelsrichtungen, wischte sich die Wimperntusche von den Wangen und alberte: «Gosh! Die Aktrice ist für den Dreh nicht mehr zu gebrauchen!»
***
«Fuck this, das ist verdammtes Anfängerglück, du kleiner Bastard!»
Sabrina griff mit größtem Vergnügen über den Tisch und zog den Einsatz aus fünfzig Cent Münzen zu sich heran. «Hättest du nicht gedacht, wie?» triumphierte sie und schickte ein breites Grinsen in Georgias Richtung. «Pokern konnte ich schon immer! Komm, ich erhöhe den Einsatz, Baby! Wie wär's mit zwanzig Euro -- gehst du mit?»
«Bist du gaga?»
«Nein, ich habe gerade eine Glückssträhne! Das muss man doch ausnutzen!»
«Schatzi» Georgia goss für Sabrina Weinbrand-Cola nach und schüttelte nachsichtig den Kopf, «du musst noch viel lernen, bis du so tough bist, wie du gern sein willst.»
«Oh! Okay, schon geschnallt! -- Du ziehst mich hier gerade über den Tisch, was? Machst mir vor, ich bin vom Glück verfolgt, und sobald ich größenwahnsinnig werde, leerst du lässig den Inhalt meiner Haushaltskasse!»
«Germany: twelve points!»
«Na klar, du bist ein alter Zocker. Das habe ich mir schon gedacht, als ich dich das erste Mal am Spielautomaten gesehen habe. Den hast du schön ausgeräumt. Kompliment!»
«Das ist Glück.» Georgia reichte ihr das Glas. «Manchmal habe ich so was. Selten, aber es kommt vor.»
Sabrina wartete, bis sie ihr eigenes Glas in die Hand nahm und prostete ihr zu. «Prost! Auf das uns schlecht wird!»
«Davon?» zweifelte Georgia. «Ich nehme dich mal mit in ein Aussie-Pub. Da gibt es ein Piss-Up, bis du schielst.»
«Ein Piss-Up -- was ist das? Ein pralles Besäufnis?» riet Sabrina. «Ich bin dabei! -- Und? Wie sieht's aus, machen wir noch ein Spiel?»
Georgia warf einen kurzen Blick auf ihre brandneue Omega-Herrenuhr. «Ein andermal. Ich muss bald los.» Sie stand auf, drehte die Musik ein wenig lauter und seufzte vernehmlich. «Ich würde lieber hier bleiben» gestand sie. «Es ist sehr schön hier bei dir.»
«Ja. Schade.» Sabrinas Miene verriet Enttäuschung. Sie hatte sich so auf sie gefreut, nachdem sie sich wieder fast zwei Wochen nicht gesehen hatten. «Ich hab' gedacht, ich könnte dich überreden, mit Carla und mir auszugehen. Wir wollen ein bisschen tanzen gehen und uns anbaggern lassen. Mit dir würde es bestimmt mehr Spaß machen.»
Georgia nahm auf der Sessellehne Platz, zückte Blättchen und ein Peace, und begann in aller Ruhe, sich einen Joint zu drehen. «So. Anbaggern lassen willst du dich?» fragte sie, ohne sie anzusehen. «Reicht dir Supermarkt-Sex nicht mehr aus?»
«Ich würde mir schon einen anlachen, nur um Jürgen zu ärgern» verriet Sabrina redselig. «Wenn schon, denn schon. Der hat mich oft genug betrogen.» Sie zündete sich eine Lights an und genoss die Momente, in denen man entspannt zusammensaß und rauchte. «Seine Blumen haben nur bis zum nächsten Tag gehalten. Man sagt doch, wenn geschenkte Blumen sich nicht halten, ist da auch keine Liebe.» Sie dachte kurz an den Strauß Rosen, den Georgia
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