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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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zu gehen. Langer Rede kurzer Sinn: Noyce richtet den Falschen ziemlich übel zu. Er kommt nach Ashecliffe. Station A. Bleibt da aber nicht lange. Er ist ausgesprochen aggressiv, daher stecken sie ihn in Station C. Sie stopfen ihn mit Halluzinogenen voll und warten ab, ob die Drachen ihn fressen und er endgültig durchdreht. Es funktioniert wohl besser, als sie erwartet haben, denn am Ende operieren sie ihn, nur um ihn ruhig zu stellen.«
    »Er wurde operiert?«, fragte Chuck.
    Teddy nickte. »Transorbitale Lobotomie. Das macht Spaß, Chuck. Zuerst verpassen sie dir Elektroschocks, dann bohren sie dir durch das Auge in den Kopf, aber pass auf: mit einem Eispickel! Kein Blödsinn. Ohne Narkose. Sie stochern dir im Hirn herum und ziehen ein paar Nervenfasern raus. Das war’s, Schluss. Kinderspiel.«
    »Der Nürnberger Code verbietet –«, begann Chuck.
    »Experimente an Menschen aus rein wissenschaftlichem Interesse, ja. Ich dachte auch, wir hätten es mit einem Verstoß gegen den Nürnberger Code zu tun. Der Senator ebenfalls. Nix da. Experimente sind statthaft, wenn man damit das Krankheitsbild des Patienten direkt bekämpfen kann. Solange ein Arzt sagt: ›He, wir wollen dem armen Schwein doch nur helfen, wir untersuchen, ob diese Drogen Schizophrenie verursachen und die anderen sie wieder aufheben‹ – solange er das behauptet, kann man ihm nichts anhaben.«
    »Wart mal kurz, Moment«, sagte Chuck. »Du hast doch gesagt, dieser Noyce hatte eine trans… ähm …«
    »Eine transorbitale Lobotomie, ja.«
    »Aber wenn sie das gemacht haben – egal, wie überholt das ist –, um ihn ruhig zu stellen, wie kann er dann eine Messerstecherei in Attleboro haben?«
    »Offensichtlich hat es nicht funktioniert.«
    »Kommt das öfter vor?«
    Wieder sah Teddy Lichtbögen, jetzt war er auch ziemlich sicher, durch das Getöse das Heulen eines Motors zu hören.
    »Hallo!« Schwach drang eine Stimme durch den Wind, aber beide hörten sie.
    Chuck schwang sich über die Betonplatte und stellte sich neben Teddy in den Türrahmen. Sie sahen Scheinwerfer am anderen Ende des Friedhofs und hörten das Raspeln eines Megaphons, das Pfeifen der Rückkopplung und dann: »Marshals! Wenn Sie hier irgendwo sind, geben Sie uns ein Zeichen! Ich bin’s, McPherson, der stellvertretende Direktor. Marshals!«
    »Wie finde ich das?«, sagte Teddy. »Sie haben uns gefunden.«
    »Wir sind auf einer Insel, Chef. Früher oder später würden sie uns immer finden.«
    Teddy schaute Chuck an und nickte. Zum ersten Mal sah er Angst in Chucks Blick, auch wenn er das Kinn trotzig vorreckte.
    »Wird schon werden, Kollege.«
    »Marshals! Sind Sie hier irgendwo?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Chuck.
    »Aber ich«, entgegnete Teddy, auch wenn es nicht stimmte. »Bleib bei mir. Wir verlassen jetzt diesen verfluchten Bunker, Chuck. Da gibt’s kein Vertun.«
    Sie traten durch die Tür nach draußen. Der Wind warf sich gegen sie wie eine Angriffsformation beim Football, aber es gelang ihnen, sich auf den Füßen zu halten, indem sie sich gegenseitig den Arm um die Schultern legten. So stolperten sie dem Licht entgegen.

10
    »SIND SIE VERRÜCKT geworden oder was?«, schrie McPherson.
    Der Jeep holperte einen unbefestigten Pfad am westlichen Rand des Friedhofs hinunter.
    McPherson saß auf dem Beifahrersitz und drehte sich mit roten Augen zu ihnen um. Der Sturm hatte ihm den kernigen Jungen aus Texas ausgetrieben. Den Fahrer kannten sie nicht mit Namen. Ein junger Mann, schmales Gesicht, spitzes Kinn, mehr konnte Teddy unter der Kapuze des Regenmantels nicht erkennen. Den Jeep fuhr er jedoch wie ein Profi, steuerte ihn durch Buschwerk und heruntergerissene Äste, als liege ihm nichts im Weg.
    »Gerade ist er offiziell vom Tropensturm zum Hurrikan erklärt worden. Der Wind bläst momentan mit rund hundertsechzig Stundenkilometern. Um Mitternacht werden Windgeschwindigkeiten von bis zu zweihundertvierzig Stundenkilometern erwartet. Und da gehen Sie einfach mal spazieren?«
    »Woher wissen Sie von der offiziellen Erklärung?«, fragte Teddy.
    »Amateurfunk, Marshal. Aber der dürfte auch nicht mehr lange funktionieren.«
    »Klar«, sagte Teddy.
    »Wir könnten schon längst die Anstalt verbarrikadieren, stattdessen fahren wir durch die Gegend und suchen Sie.« Er schlug auf die Rückenlehne und drehte sich wieder um. Er war fertig mit ihnen.
    Der Jeep schnellte über eine Anhöhe, und kurz sah Teddy nur Himmel, spürte die Leere unter den Reifen, dann setzten sie wieder

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