Shutter Island
sprudelte Blut.
»Ich muss Unterstützung holen und Litchfield suchen«, sagte Baker. »Im Keller sind die ganzen Typen, denen wir nur was zu essen geben, wenn mindestens sechs Wärter dabei sind. Wenn Litchfield die rauslässt, gibt das hier ein zweites Alamo.«
»Hol zuerst einen Arzt«, sagte Chuck.
Baker suchte eine saubere Ecke an seinem Taschentuch und drückte sie auf die Wange. »Keine Zeit.«
»Für ihn«, sagte Chuck.
Baker sah durch die Gitterstäbe in den Raum. »Ja. Schon gut. Ich suche einen Arzt. Und ihr? Rein und raus in Rekordzeit, ja?«
»Gut. Hol dem hier einen Arzt«, wiederholte Chuck im Hinausgehen.
Baker verriegelte die Tür. »Bin schon auf dem Weg.«
Er lief los und wich drei Wärtern aus, die einen bärtigen Riesen zu seiner Zelle schleppten.
»Was meinst du?«, fragte Teddy. Am Ende des Bogengangs sah er einen Mann, der an den Gitterstäben seiner Zellentür rüttelte. Wärter zerrten einen Schlauch heran. Teddys Augen gewöhnten sich langsam an das zinnfarbene Licht im Korridor, aber die Zellen blieben dunkel.
»Irgendwo müssen hier Akten sein«, sagte Chuck. »Und wenn nur zum Nachschlagen der wichtigsten Krankeninformationen. Du suchst Laeddis, ich die Akten?«
»Was glaubst du denn, wo die Akten sind?«
Chuck sah sich zur Tür um. »Wie es scheint, wird es immer ungefährlicher, je weiter man nach oben kommt. Ich nehme an, die Verwaltung ist ganz oben.«
»Gut. Wann treffen wir uns?«
»In einer Viertelstunde?«
Die Wärter hatten den Schlauch aufgedreht und richteten den Wasserstrahl auf den Mann. Er ließ los, fiel auf den Boden und wurde gegen die Wand gespült.
In den Zellen klatschten einige Männer, andere stöhnten. Das Stöhnen war so tief und einsam, es hätte von einem Schlachtfeld stammen können.
»In Ordnung. Unten im großen Saal?«
»Gut.«
Sie gaben sich die Hand. Chucks Hand war warm, auf seiner Oberlippe stand Schweiß.
»Pass auf dich auf, Teddy.«
Die Tür zum Treppenhaus hinter ihnen ging auf, und ein Patient flitzte an ihnen vorbei. Seine nackten Füße waren schmutzig. Er rannte, als trainierte er für einen Preiskampf – geschmeidige Schritte im Einklang mit schattenboxenden Armen.
»Werd’ mich bemühen.« Teddy grinste.
»Also gut.«
»Gut.«
Chuck ging zur Tür. Er sah sich nach Teddy um. Teddy nickte ihm zu.
Chuck öffnete die Tür zum Treppenhaus. Zwei Pfleger kamen die Stufen hochgehastet. Chuck verschwand um die Ecke nach oben. Einer der Pfleger fragte Teddy: »Ist hier zufällig die Große Weiße Hoffnung durchgekommen?«
Teddy wies ihnen den Weg und schloss sich ihnen an.
»Ist er Boxer?«, fragte Teddy.
Der Mann links von ihm, ein großer älterer Schwarzer, sagte: »Ach, du kommst vom Haupthaus, was? Ah, ja. Also, unser Willy hier glaubt, er trainiert für den entscheidenden Kampf im Madison Square Garden gegen Joe Louis. Leider ist Willy gar nicht so schlecht.«
Sie näherten sich dem Boxer, der mit den Fäusten in die Luft hieb.
»Da brauchen wir aber mehr als drei.«
Der ältere Pfleger kicherte. »Einer genügt. Ich bin sein Manager. Wusstest du das nicht? He, Willy«, rief er. »Du kriegst noch ’ne Massage, Junge. Ist keine Stunde mehr bis zum Kampf.«
»Will keine Massage.« Willy schlug schnelle kurze Geraden.
»Kann doch nicht zulassen, dass mein Goldesel mir verkrampft«, sagte der Pfleger. »Hörst du?«
»Ich war nur verkrampft, als ich gegen Jersey Joe gekämpft hab.«
»Und was daraus geworden ist, siehst du ja.«
Willy ließ die Arme sinken. »Irgendwie hast du Recht.«
»In den Trainingsraum, gleich hier drüben.« Der Pfleger machte eine einladende Handbewegung.
»Aber rühr mich nicht an. Ich kann es nicht ab, wenn ich vor einem Kampf angepackt werde. Das weißt du genau.«
»Ja, weiß ich, Killer.« Der Pfleger öffnete die Zellentür. »Jetzt komm.«
Willy ging zu seiner Zelle. »Kann man die echt schon hören, die Leute?«
»Gerammelt voll, Junge. Nur Stehplätze.«
Teddy ging mit dem anderen Pfleger weiter, der ihm seine braune Hand entgegenstreckte. »Ich bin Al.«
Teddy schüttelte sie. »Ich bin Teddy. Freut mich.«
»Wieso bist du für draußen angezogen, Teddy?«
Teddy blickte auf seinen Regenmantel. »War fürs Dach eingeteilt. Hab aber einen Patienten im Treppenhaus gesehen und bin ihm hinterhergelaufen. Dachte, ihr könntet vielleicht Hilfe gebrauchen.«
Ein Haufen Kot fiel Teddy vor die Füße. Im Dunkel einer Zelle gackerte jemand. Teddy hielt den Blick nach vorne
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