Shutter Island
wollte, dann jetzt, es blieb ihm keine Zeit zum Überlegen, und das war auch gut so, denn wenn er auch nur kurz über seinen Plan nachsinnen würde, würde er ihn niemals ausführen.
Er trat aus dem Wald und lief am Ufer entlang. Kurz vor dem Kai, wo ihn alle vom Haus Zurückkehrenden sehen konnten, stürzte er sich ins Wasser.
O Gott, es war eiskalt. Teddy hatte gehofft, es sei von der Hitze ein wenig erwärmt worden, aber die Kälte zerriss ihn wie ein Stromschlag und drückte ihm die Luft aus der Lunge. Dennoch arbeitete er sich voran, unterdrückte den Gedanken an das, was mit ihm im Wasser war – Aale, Quallen, Krebse und vielleicht sogar Haie. Es war lächerlich, aber Teddy wusste, dass Haie Menschen normalerweise in einer Wassertiefe von einem Meter angriffen, und genau da befand er sich nun. Das Wasser reichte ihm bis zur Hüfte, dann wurde es tiefer. Von Cawleys Haus klang Geschrei herüber. Teddy ignorierte das tobende Hämmern seines Herzens und tauchte unter.
Er sah das Mädchen aus seinen Träumen, es trieb direkt unter ihm, die Augen geöffnet, resigniert.
Teddy schüttelte den Kopf, das Mädchen verschwand. Vor ihm erschien der Kiel der Fähre, ein dicker schwarzer Streifen, der im grünen Wasser wippte. Teddy schwamm drauf zu und hielt sich fest. Dann zog er sich am Kiel entlang zum Bug, schob sich langsam auf die andere Seite und zwang sich, ganz langsam aufzutauchen und nur den Kopf aus dem Wasser zu heben. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, er atmete aus, sog den Sauerstoff ein und versuchte nicht dran zu denken, dass seine Beine dort unten in der Tiefe waren und irgendein Tier an ihnen vorbeischwamm, die Beine sah, sich wunderte, was das wohl war, näher kam, um dran zu schnuppern …
Die Leiter war da, wo er sie erwartet hatte, direkt vor ihm. Er umklammerte die dritte Sprosse. Die Männer liefen nun wieder zum Kai hinunter, er hörte die schweren Schritte auf den Planken, dann rief der Direktor: »Durchsucht das Schiff.«
»Sir, wir waren nur ganz kurz –«
»Sie haben Ihren Posten verlassen, und jetzt wollen Sie mit mir diskutieren?«
»Nein, Sir. Entschuldigung.«
Die Leiter sank ein wenig tiefer ins Wasser, weil mehrere Männer die Fähre bestiegen. Teddy hörte sie durch das Boot poltern, sie rissen Türen auf und verschoben Möbel.
Wie eine Hand schob sich etwas zwischen Teddys Oberschenkel. Er biss die Zähne zusammen, umklammerte die Leiter noch fester und zwang sich, an gar nichts zu denken, weil er sich nicht vorstellen wollte, wie dieses Etwas aussah. Es schwamm jedoch weiter, und Teddy stieß die Luft aus.
»Mein Wagen. Das Schwein hat meinen Wagen in die Luft gejagt.« Das war Cawleys Stimme, heiser und atemlos.
Der Direktor sagte: »Das reicht jetzt, Doktor.«
»Wir waren uns einig, dass ich die Entscheidung treffe.«
»Wenn es diesem Mann gelingt, die Insel zu verlassen –«
»Er wird diese Insel nicht verlassen.«
»Sie haben sich vorher bestimmt auch nicht vorstellen können, dass er Ihre Kutsche in einen Feuerball verwandelt. Wir brechen diesen Einsatz jetzt ab, damit unsere Verluste im Rahmen blieben.«
»Ich habe zu hart gearbeitet, um jetzt das Handtuch zu werfen.«
Der Direktor erhob die Stimme. »Wenn dieser Mann die Insel verlässt, dann sind wir am Ende.«
Cawley brüllte ebenfalls los: »Er wird die verfluchte Insel nicht verlassen!«
Eine geschlagene Minute lang sagte niemand ein Wort. Teddy hörte, wie sie auf dem Kai mit den Füßen scharrten.
»Gut, Doktor. Aber die Fähre bleibt hier. Sie legt erst ab, wenn wir ihn gefunden haben.«
Teddy hing an der Leiter, die Kälte stieg ihm in die Füße und brannte.
»Dafür wird man in Boston Erklärungen verlangen.«
Teddy biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten.
»Dann liefern Sie Erklärungen. Aber die Fähre bleibt hier.«
Etwas stieß von hinten gegen Teddys linkes Bein.
»In Ordnung.«
Ein erneuter Stoß gegen das Bein. Teddy trat aus, das Platschen des Wasser zerriss die Luft wie ein Schuss.
Schritte oben auf dem Bug.
»Er ist nicht an Bord, Sir. Wir haben überall nachgeguckt.«
»Wo ist er dann?«, fragte der Direktor. »Irgendeine Idee?«
»Verflucht noch mal!«
»Was denn, Doktor?«
»Er will zum Leuchtturm.«
»Das habe ich auch schon vermutet.«
»Ich kümmere mich drum.«
»Nehmen Sie meine Leute mit.«
»Ich habe gesagt, ich kümmere mich drum. Wir haben oben genug Männer.«
»Es sind nicht genug.«
»Ich kümmere mich drum, hab ich gesagt.«
Cawleys
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