Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
griff nach seinem Handy.
„Irvine?“, fragte er, als sich die wohlbekannte, distanzierte Stimme des Sekretärs meldete. „Irvine, du musst mir helfen! Finde unverzüglich heraus, wohin der Privatjet deines Chefs heute fliegt! Es geht vielleicht um Leben und Tod!“ Shys Stimme klang ungewohnt eindringlich, sodass der blonde Mann am anderen Ende der Leitung keine Fragen stellte. Es blieb ein paar Sekunden still, bevor er antwortete: „Der Flieger ist für Las Vegas gemeldet, Startzeit null sieben null null.“
„Danke!“ Shy legte auf und sah auf seine Armbanduhr. Fünfzehn Minuten! Er hörte, wie die Turbinen des Learjets angeworfen wurden. Ein kleiner gelber Schleppwagen zog das elegante weiße Ungetüm gerade aus seiner Betonschachtel. Jetzt unterbrach ein anderer Motor das gleichmütige Brummen, das sich kontinuierlich entfernte. Der BMW wurde gestartet und gleich darauf sah Shy, wie Elias Lakehurst in seiner Limousine das Gelände des Flugfeldes wieder verließ. Würde er nun in aller Seelenruhe nach New York zu seiner Konferenz fliegen, während seine Frau vielleicht irgendwo über der Wüste von Nevada aus dem Flugzeug geworfen wurde? Shy zuckte bei diesem Gedanken zusammen. Wieso hatte er dann die gefälschten Papiere herstellen lassen? Das alles ergab überhaupt keinen Sinn. Seine innere Unruhe wuchs. Shy startete ebenfalls den Motor und machte sich auf den Weg zur Lakehurst-Villa. Er wollte noch einmal in das Arbeitszimmer des Bankiers. Er musste etwas übersehen haben!
* * *
Ricardo Montoya, ein cleverer Italo-Amerikaner, galt als ungekrönter Unterweltkönig der Spielerstadt Las Vegas. Als Sohn einer Italienerin und eines spanischen Vaters wuchs er in Brooklyn auf und arbeitete sich vom Fensterputzer hoch bis zum Inhaber einiger Spielhallen. Mit seinen Konkurrenten ging er ebenso wenig zimperlich um wie mit seinen Geschäftspartnern. Leute, die er brauchte, kaufte er. Wenn er sie nicht mehr brauchte, schaffte er sie aus dem Weg. Sein kleines Spielhallen-Imperium in New York war ihm bald nicht mehr genug und so hatte er sich in die Weltstadt der Spieler begeben, um dort sein Glück zu machen. Und dies blieb ihm tatsächlich treu. Alles, was hier mit sechsstelligen Beträgen und höher zu tun hatte, unterlag seiner „Aufsicht“. Und dafür kassierte er Provisionen. Soviel Geld musste natürlich gewaschen werden und da waren Kontakte zum legalen Geldmarkt nicht zu verachten. Der Pate von Las Vegas war nicht sehr groß, wirkte jedoch muskulös und untersetzt. Seine bereits schütteren schwarzgrauen Haare ließen ihn älter erscheinen, als er eigentlich war, und ein schmaler Oberlippenbart betonte die maskulinen Züge. Eine Platinkette mit einem Löwenkopf, in den zwei Smaragde als Augen eingelassen waren, lag um seinen Hals. Das war sein Glücksbringer, den trug er schon, seit er das erste Casino in New York eröffnet hatte und seitdem legte er sich nicht mehr ab. Aber Glück hatte Montoya eigentlich immer, vor allem bei den Frauen. Auch wenn er genau wusste, dass diese größtenteils hinter seinem Geld her waren. Er entlohnte alle „Dienstleistungen“ recht großzügig. Daher erweiterte er seine Unternehmen um mehrere Luxusbordelle. Schließlich sollten die Gewinner ihren Spaß haben und möglichst viel von ihrem Geld wieder in der Stadt lassen.
Noch am gleichen Vormittag begutachtete er persönlich die lebende Fracht, die der Flieger in seiner Stadt abgeladen hatte. Ein verlassenes Lagerhaus am Rande der prächtigen Wüstenstadt erschien ihm ein geeignetes „Zwischenlager“, bis er entschieden hatte, was mit Nora Lakehurst und Richard Norton geschehen sollte. Montoya hielt sich nicht unbedingt an Abmachungen. Nicht einmal an die mit mächtigen Geldleuten wie Lakehurst. Auch in diesem Fall hatte er eigene Pläne, aber davon brauchte Lakehurst nichts zu wissen. Schließlich hatte dieser auch mit keinem Wort das zweite Paket erwähnt.
Die verschnürten menschlichen Bündel auf dem schmutzigen Betonboden der Halle rührten den Mann im dunkelblauen Seidenhemd nicht. Er ging um sie herum wie um eine Ware, die er zu kaufen gedachte. Seine beiden Gorillas standen etwas abseits, ließen ihren Boss jedoch nicht aus den Augen. Nora blickte abwechselnd aus angstvollen Augen zu dem Gangsterboss und dann wieder auf ihren reglos daliegenden Geliebten, der mit einer leichten Gehirnerschütterung wieder im Land der Träume weilte. Im Flugzeug hatte sie mit Schrecken bemerkt, dass ihr Mann offenbar auch
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