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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geworden.
    Lautlos huschten Meteljew und Krasnikow davon und hörten noch, wie Jugorow rief: »Nasarow, was ist mit Ihnen?!« Dann waren sie in der Tiefe des Waldes untergetaucht, geschützt durch die tiefe Dämmerung, die sie unsichtbar werden ließ, schon auf ein paar Meter. Trotzdem liefen sie weiter, auf den Zehenspitzen federnd, ohne einen Laut … die Besten aus der Schule von Oberst Tobombajew.
    Jugorow war zu Nasarow gestürzt, wollte seinen Kopf hochheben – da griff er in Blut und sah, bei einer leichten Drehung, das Messer im Rücken. Fast bis zum Griff war es eingedrungen – ein Wurf, hinter dem eine ungeheure Kraft gesessen hatte. Auch Walja war jetzt bei Nasarow, schrie auf und kniete vor ihm nieder.
    »Nichts berühren!« rief Jugorow. »Faß es nicht an, das Messer.« Er blickte um sich, aber die Dämmerung ließ keinen weiten Blick mehr zu. Sinnlos wäre es gewesen, in die Richtung zu laufen, aus der jemand das Messer geworfen hatte. »Dort muß er gestanden haben«, sagte er und zeigte genau auf die Stelle, von der aus Krasnikow das Messer geschleudert hatte. »Die ganze Zeit muß er schon da gestanden haben.«
    »Er lebt noch!« rief Walja und hielt die Hand an Nasarows Halsschlagader. »Lauf, Igor, lauf … hol die Ambulanz … er lebt noch … Mein Gott, vielleicht können wir ihn retten. Lauf …«
    »Faß nicht das Messer an!« sagte Jugorow noch einmal. »Laß ihn so liegen, wie er ist …«
    Dann lief er davon, rannte durch die Dunkelheit zurück nach Nowo Gorodjina, und wenn Meteljew und Krasnikow ihn jetzt gesehen hätten, würden sie mit Verwunderung bemerkt haben, daß er im gleichen Stil lief wie sie: federnd, sich vorwärts schnellend, als hebe er die Anziehungskraft auf, um mit der Fliehkraft Meter zu überspringen. Ein Laufen, den flüchtenden Tieren abgeschaut.
    Unendlich spät, so kam es Walja vor, heulte die Sirene des Ambulanzwagens durch die Dunkelheit, jagten die Scheinwerfer auf sie zu, kreischten die Bremsen. Und erst jetzt, als man Nasarow vorsichtig in den Wagen hob und auf den Bauch legte, das Messer noch immer in seinem Rücken, sagte Walja zu Jugorow:
    »Warum bist du gelaufen? Dort steht Nasarows Jeep.«
    »Ich wollte ihm Zeit geben, zu sterben …« Jugorow senkte den Kopf.
    »Aber er lebt noch.«
    »Der Wagen stand auch vor dir, Walja.«
    Sie schwieg, kniff die Lippen zusammen, stieg in den Ambulanzwagen, setzte sich neben Nasarow, riß eine Sauerstoffmaske vom Haken und preßte sie dem Schwerverletzten auf das Gesicht. Es war schwierig, seinen Kopf mußte sie dazu drehen – und das war das letzte, was Jugorow sah, bevor die Tür zufiel, die Sirene wieder heulte und der Wagen davonraste.
    Was ist aus mir geworden, dachte er und lehnte sich an Nasarows Jeep. Walja, was hast du aus mir gemacht? Nie einen Menschen töten, es sei denn in Notwehr, das war ein Schwur. Zwar hast du auch jetzt keinen direkt getötet, aber du hast nachgeholfen, daß er sterben möge. Wo ist die Grenze des Gewissens? Wie hast du dich verändert, Igor Michailowitsch!
    Er stieg in den GAZ-69, schob Nasarows Koppel mit der Pistolentasche zur Seite und fuhr langsam zurück nach Nowo Gorodjina. Auf der Straße, unter den hellen Bogenlampen, sah er seine Nachbarn Meteljew und Krasnikow. Aus der Richtung der Kantine kamen sie, in der man Musik des Lagerorchesters hörte. Balalaika und Bajan, die Knopfharmonika … Lieder aus der Taiga und vom fernen, geliebten Mädchen.
    Krasnikow winkte. Jugorow hielt an.
    »Was ist denn los?« fragte Krasnikow. »Fegt an uns vorbei, der Krankenwagen. Mit voller Sirene.«
    »Und Sie fahren herum in einem Militärfahrzeug.« Meteljew klopfte gegen die Autotür. »Soll's repariert werden?«
    »Ein Messer kam geflogen und traf Nasarows Rücken. Ein neues Lied vom Tobol könnte daraus werden.«
    »Kein Wort verstehe ich!« sagte Krasnikow gekonnt »Meinen Sie den Genossen Major, Jugorow?«
    »Ermordet hat man ihn.«
    »Oje! Er ist tot?« rief Meteljew entsetzt. Es klang überzeugend.
    »Noch lebt er, doch überstehen wird er's wohl nicht.«
    Jugorow fuhr weiter, hielt vor dem Lagerhospital und drängte sich durch die Menge der Neugierigen.
    »Er lebt noch«, sagte Meteljew leise.
    »Ich hab's gehört!« zischte Krasnikow wütend. »Drei Zentimeter zu hoch, und die Klinge war zu kurz. Tobombajew hätte mir das nie verziehen. Wie gut, daß er es nie erfahren wird. Babrak Awdejewitsch … Wodka brauch' ich jetzt! Wenn ich mich nicht besaufe, erschlage ich mich

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