Sibirisches Roulette
selbst.«
Sie gingen zu ihrem Haus und trafen hier schon wieder auf Jugorow, der gerade aus dem Hospital kam.
»Wie geht es Nasarow?« fragte Meteljew besorgt.
»Er lebt. Walja Borisowna operiert ihn soeben.«
»Wird er durchkommen?« Krasnikows Stimme versank in Heiserkeit.
»Wer kann das jetzt schon wissen?« Jugorow schloß seine Tür auf. »Man weiß nur eins: Der das Messer geworfen hat, ist ein großer Könner. Ich werde ihn suchen.«
»Warum Sie, Igor Michailowitsch? Warum ausgerechnet Sie?« rief Meteljew.
»Vor meinen Augen ist's geschehen. An Beljakow denke ich dabei. Möglich, daß man behauptet, ich hätte Nasarow das Messer in den Rücken gestoßen. Möglich ist das …«
»Allein waren Sie mit Nasarow?« fragte Krasnikow und schloß wie Jugorow seine Tür auf.
»Ja.«
»Keinen Zeugen?«
»Keinen.«
»Schlecht sieht das aus!« sagte Meteljew voller Mitgefühl. »Man kann sich vieles dabei denken. Wo haben Sie Ihr Hemd gelassen, Genosse?«
»Am Tatort. Das Hemd ist zerrissen. Will man noch mehr Beweise gegen mich?« Er stieß die Tür auf und drehte das Licht im Flur an. »Ein Grund, nicht wahr, den richtigen Täter zu suchen.«
»Nicht zu beneiden sind Sie, Jugorow«, sagte Meteljew und folgte Krasnikow ins Haus. »Viel Ärger wartet noch auf Sie!«
Er knallte die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Krasnikow warf den Schlüssel mehrmals in die Luft und fing ihn wieder auf. Nervös war er.
»Warum lügt Jugorow?« fragte er leise, als könnte der ihn noch hören. »Warum? Er hat es doch nicht nötig.«
In dieser Nacht wiederholte sich das Funkverkehrspielchen.
Jugorow drückte ein Membranstethoskop gegen die dünne Wand zum Nachbarhaus und lauschte. Vor wenigen Minuten hatte er das Hörgerät vom Hospital mitgenommen; nur deshalb hatte er überhaupt die Krankenstation betreten. Wenn man es morgen vermißte, wer konnte es weggenommen haben? Gestohlen wurde genug im Lager, von Baracke zu Baracke. Nun war's ein Stethoskop! Wer konnte das gebrauchen? An alles Mögliche würde man denken, nur nicht an Jugorow.
Er wartete, bis jenseits der Wand, im Nebenhaus, ein Pfeifton erklang. Ganz deutlich hörte er es mit dem feinen Stethoskop. Dann war da Meteljews Stimme; die Worte verstand man nicht, aber es war sicher, daß er funkte.
Jugorow lächelte, stellte seinen eigenen Sender ein und sandte den Ruf ab: »Adler sucht Wolf. Adler sucht Wolf. Anschlag auf Nasarow. Erkundigt euch nach Krasnikow und Meteljew. Treten auf als Geologen. Ende.«
Im Nebenhaus informierte Meteljew zur gleichen Zeit seine vorgesetzte Stelle: »Nichts Neues von hier. Außer dem Attentat auf Major Nasarow noch keine Spur des ›Spezialisten‹. Wir glauben nicht, daß er der Täter ist. Nicht typisch für ihn. Nasarow hat hier viele Feinde. Ein zu kleines Ziel für den ›Spezialisten‹.«
Die Tatsache, daß ein Unbekannter heimlich bei ihnen eingedrungen war, erwähnte Meteljew nicht. Erfolge sollten gemeldet werden, keine Niederlagen. Meteljew legte den Sendehebel um und schob die Kopfhörer von den Ohren.
»Wie habe ich das gemacht?« fragte er zufrieden.
»Die Antwort wird dir Tjunin geben.«
Krasnikow ging hinüber in sein Zimmer und holte eine Flasche Wodka – weit weniger hart als der, den er bei Korolew hatte schlucken müssen. Besaufen, dachte er. Besaufen bis zum Umfallen, nur das hilft heute noch.
Meteljew kam zu ihm ins Zimmer, als er die halbe Flasche weggetrunken hatte und schon mit stierem Blick im Sessel saß. Der Funkverkehr zwischen Nowo Gorodjina, Tobolsk und Moskau gehörte zu dem wenigen, was reibungslos funktionierte. General Tjunins Antwort war gerade angekommen.
»Die andere Hälfte für mich«, sagte Meteljew und warf sich auf Krasnikows Bett. »Nötig hab ich's. Gib sie her!«
»War Tjunin bei dir im Ohr?« lallte Krasnikow und reichte die halbe Flasche an Meteljew. Der nahm sie und kippte einen Schluck in sich hinein.
»Ja.«
»Wie ist's mit einem großen Lob?«
»Einen Befehl haben wir bekommen, Victor Ifanowitsch.«
»Ich höre.«
»Befehl von General Tjunin: Nasarows Mörder muß gefunden werden!«
»Wird ausgeführt. Sofort!« rief Krasnikow betrunken. Er versuchte aufzustehen, fiel ein paarmal auf den Sessel zurück und stand erst aufrecht, als er sich an die Wand lehnte. »Befehl ist ausgeführt: Bedienen Sie sich, Babrak Awdejewitsch, aber machen Sie's kurz, schmerzlos und vor allem lautlos … wie gelernt …«
»Piffpaff …«, sagte Meteljew und trank den
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