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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Groll hoch.
    »Aha, die Genossin Ärztin!« sagte er laut und klopfte mit dem Stock auf die Erde. »Was ist mit Andrej Nikolajewitsch, meinem Enkelchen?«
    »Ach, Großväterchen!« Walja setzte sich zu Beljakow auf die Bank. Er sah sie mißmutig an, blies ihr eine Qualmwolke ins Gesicht und freute sich, daß sie hustete. »Es geht aufwärts mit ihm.«
    Noch am Morgen war Nachricht aus dem Schwarzen Haus gekommen, daß alle befreiten Geiseln sich bestens fühlten. Soja kümmere sich um sie, es sei genug zum Essen und zum Trinken da, und Trofimow habe sogar einen Extrafangtag eingelegt und sei mit einem ganzen Korb voll frischer Fische zurückgekommen. Dies hatte den alten Beljakow besonders geärgert. Zwischen Trofimow und ihm schwelte ein ewiger Haß, nachdem Trofimow ihn einmal gefragt hatte: »Wofür hast du die Orden bekommen? Ist schon eine Leistung, den ganzen Krieg über Scheißhäuser zu putzen …«
    So etwas vergißt man nicht, und wenn man hundert wird. Ein Feldwebel der Roten Armee besitzt eine unantastbare Ehre.
    »Was wollen Sie, Genossin Ärztin?«
    »Für meine Bemühungen um deinen Enkel komme ich kassieren.«
    »Haha! In der Sowjetunion ist ärztliche Behandlung frei!« schrie der Alte. »Kassiere in Moskau oder Tobolsk. Niemand hat Sie übrigens gerufen!«
    »Es ging deinem Enkel schlecht, Großväterchen«, sagte Walja mit ernster Stimme. Aber in ihren Augen bunkerte das Lachen. »So schlecht, daß man ernste Sorgen hatte.«
    »Ich nicht. Er hat einen Beljakowschädel.«
    »Wer spricht vom Schädel? Zum Tode sollte er verurteilt werden, und wie fühlt er sich jetzt? Na? Ist das nicht ein Schaf wert?«
    »So kommt ihr mir? So?!« schrie der Alte sofort. »Die Gerechtigkeit hat gesiegt, so muß man's sehen.«
    »Aber ohne tatkräftige Nachhilfe wäre es nicht gelungen. Die Gerechtigkeit, das weißt du, gehört zu den großen Blinden. Großväterchen …«
    »Kein Gesäusel!« brüllte Beljakow. »Nur zehn Schafe habe ich …«
    »Neun …«
    »Zehn …«
    »Eins wird gerade von deiner Schwiegertochter weggeführt für mich …«
    Der Alte zuckte hoch, warf die Pfeife weg, hob den Stock und stierte wild um sich. Die Frau seines Sohnes führte an einem Strick ein schönes Schaf zum Jeep, wo Jugorow den Strick übernahm. O je, wie tobte der Alte. Wer hätte gedacht, daß er noch so munter auf den Beinen war, daß er so herumspringen konnte.
    »Gib es her, Halunke!« brüllte er zu Jugorow hin. »Welch eine taube Nuß, meine Schwiegertochter! Kinder kann sie kalben, aber sonst ist sie zu nichts nutze. Das Schaf her, Jugorow! Verflucht seid ihr alle!«
    Jetzt kamen auch noch die anderen Enkelchen aus dem Haus, umarmten Walja, küßten sie und riefen immer wieder: »Andrej ist frei! Andrej ist frei! Danke – danke – danke!«
    »Eine gute Erziehung haben die Kinder«, sagte Walja zu dem mit den Zahnstümpfen knirschenden Beljakow. »Sie wissen, was Dankbarkeit ist. Von ihrem Großvater haben sie das nicht gelernt.«
    »Was noch?« fragte der Alte und hieb mit seinem Stock gegen die Wand des Hauses. »Heraus damit – was noch?«
    »Mehl und Grütze. Zwei Fäßchen Sauerkohl. Auch eingestampfte gesalzene Butter wäre gut …«
    »Kein Störfilet?« höhnte Beljakow. »Kein Ochsenzünglein? Kein Leberchen? Kein Rebhühnchen oder Fasanchen? Oder ein Häschen gefällig? Schwiegertochter, du Dickarsch, haben wir noch ein Haselhuhn in Gelee versteckt?«
    »Nicht alles auf einmal, Großväterchen«, lachte Walja und gab dem atemlosen Alten einen Kuß auf die Knollennase. »Ich komme wieder.«
    »Eine Festung mache ich aus meinem Haus!« brüllte Beljakow ihr nach, als sie zurück zum Jeep ging, wo Jugorow das blökende Schaf am Strick hielt. »Ganz andere Stürme habe ich ausgehalten. Damals, bei Rshew … vier Sturmangriffe der Deutschen … da werd ich auch mit dir fertig werden, Genossin Ärztin!«
    Kurz und gut: Der Besuch in Lebedewka erwies sich als ein voller Erfolg. Korolew erwähnte zwar mit keinem Wort die Geiseln, um Schemjakin nicht in einen seelischen Konflikt zu stürzen, denn deren gewaltsame Befreiung mußte er verurteilen und anzeigen, aber auch er brauchte für seine dreihundert Männer das Essen. Im Augenblick war dies wichtiger als alles andere. Im Lager bauten sie schon große Steinöfen für jeden Barackenblock; elektrische Kochplatten hatten nur die Herren Ingenieure, das Kochgas war in die Luft geflogen, und ein Magazin, in dem man alles hätte kaufen können, gab es ja nicht mehr. Es

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