Sich vom Schmerz befreien
eine Krankheit nur aus der Innensicht des Patienten heraus »verstanden« werden kann. Dabei ist eine Krankheit und sind vor allem Schmerzen aus der Sicht des Betroffenen etwas anderes als aus der objektiven AuÃensicht. Jeder kennt das: Subjektiv erlebt man nicht isoliert die diagnostizierten »objektiven Ursachen«, sondern das Problem auf seine
ganz persönliche Weise. Schmerz enthält immer bestimmte Emotionen und Gefühle, die sogar im Vordergrund stehen können, umgekehrt zum Beispiel Angst auch körperliche Empfindungen, deren man sich jedoch nicht unbedingt bewusst ist. Da körperliche und psychische Vorgänge stets gemeinsam einen »Weg durch den Schnee« und damit eine Krankheit ausmachen, können sie zwar von auÃen getrennt werden, im Erleben sind sie jedoch eine Einheit. Jede Veränderung verändert beide. (In Kapitel 3 erfahren Sie dazu mehr speziell zum Thema Schmerz.)
Die Notwendigkeit, subjektives Erleben zu berücksichtigen, ist natürlich keine neue Erkenntnis in der Medizin. Lassen Sie mich dazu den renommierten Mediziner Victor von Weizsäcker zitieren: »Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass die gegenwärtige Medizin eine eigene Lehre vom kranken Menschen nicht besitzt. Sie lehrt Erscheinungen des Krankseins, Unterscheidung von Ursachen, Heilmittel der Krankheit, aber sie lehrt nicht den kranken Menschen.« Kaum zu glauben, aber dieses Zitat stammt aus dem Jahr 1927! - Es hat nichts an Aktualität eingebüÃt. Von Weizsäcker fordert, »das Subjekt wieder in die Medizin einzubringen« und meint damit dasselbe wie moderne Kritiker unserer Medizin, die bemängeln, dass sie die individuelle Wirklichkeit des Patienten ignoriert.
Wege aus der Krankheit
Doch wie sieht eine Behandlung aus, die sich am Spannungsverhalten und subjektiven Erleben des Patienten orientiert? Hier erhalten Arzt und Therapeut eine andere Funktion. Da mechanisches Reparieren und Betäuben die Gefahr birgt, ein Spannungsverhalten immer wieder auszulösen bzw. neue Spannungen und Probleme zu kreieren, sind sie nicht mehr in erster Linie »Mechaniker«, die Defekte in der Maschine beheben und sie wieder zum Laufen bringen. Da man davon ausgehen
kann, dass der lebende Organismus prinzipiell von sich aus um »Spannungsgleichgewicht« bemüht ist, bedeutet dies, dass er es im Falle von Krankheit selbst nicht mehr findet und man ihm also behilflich sein muss. Arzt und Therapeut werden so zum »Begleiter und Lehrer«, deren Aufgabe es ist, einem Menschen notwendige Informationen über sein Spannungsverhalten zu geben und ihn zu unterstützen, sein Problem »Krankheit« langfristig und effektiv zu lösen - soweit notwendig natürlich inklusive geeigneter »reparierender« medizinischer MaÃnahmen. Da ein lebender Organismus, und vor allem ein Mensch, bezüglich seines Verhaltens jedoch nicht wie eine Maschine programmiert werden kann, muss Therapie als »kommunikativer Prozess« gestaltet werden .
Bevor wir uns anhand von Beispielen und praktischen Ãbungen konkret mit der Behandlung von Schmerzen beschäftigen und ich Ihnen damit schmerztherapeutische Anregungen und Hilfen an die Hand gebe, soll Ihnen die folgende Abbildung veranschaulichen, was ich unter »kommunikativer Therapie« verstehe.
Das Kommunikationsmodell der Therapie
Diese Abbildung zeigt je zwei Ebenen, auf denen sowohl Patient als auch der Therapeut ihr Verhalten produzieren. Körperliche Prozesse und Aktivitäten sowie sämtliche psychischen Vorgänge werden entweder bewusst oder unbewusst gesteuert - und damit sind wir bei einem sehr wichtigen Thema angelangt: Seit Jahrhunderten zerbrechen sich groÃe Denker ihre Köpfe darüber, was »Bewusstsein« eigentlich ist. Es existieren zahlreiche Theorien und Definitionen, insbesondere auch in der modernen Hirnforschung. Daneben gibt es natürlich auch das, was »Unbewusstsein«, »Nichtbewusstsein« oder »Unterbewusstsein« genannt wird, und hier ist die Unklarheit und Uneinigkeit noch gröÃer. (Näher eingehen kann ich auf diese Themen hier nicht - es würde den Rahmen dieses Buches mehrfach sprengen.)
Festhalten lässt sich jedoch: In der Forschung werden Bewusstsein und Nichtbewusstsein natürlich auch im naturwissenschaftlichen Weltbild behandelt. Dabei bezieht sich »Bewusstsein« gewöhnlich auf die Verhaltensebene »Wahrnehmung«. So meint der
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