Sich vom Schmerz befreien
denen ebenfalls einige bewusster, die meisten jedoch unbewusster Kontrolle unterliegen. Aufgabe der bewussten GroÃhirnrinde ist es also, alle Verhaltensprozesse aufeinander abzustimmen. Da die Muskelspannung bestimmt, in welchem Ausmaà Muskelaktivitäten wahrgenommen und verändert werden können, bestimmt sie mit, inwieweit diese Aufgabe erfüllt werden kann. Während des Gehens wird in einem gewissen Ausmaà also Bewusstes unbewusst werden und automatisch ablaufen, Unbewusstes hingegen wird der bewussten Steuerung zugänglich.
In Bezug auf Schmerzen interessiert uns ebenfalls Muskelspannung, also Muskeln, Muskelfasern und ihr Zusammenspiel. Meldet sich während des Gehens ein Schmerz im Bein,
Fuà oder Rücken, der nicht sofort wieder verschwindet, bedeutet dies nach dem Spannungsmodell: Der Mensch produziert in diesem Augenblick eine Muskelspannung, der er sich nicht so bewusst ist, dass er sie beeinflussen könnte. Er nimmt allenfalls neben dem Schmerz eine »Verspannung« wahr, kann sie jedoch nicht verändern. Er erlebt sie, wie auch den Schmerz, als etwas, das ihm passiert. Dies erst recht natürlich zum Beispiel etwa bei einem Rückenschmerz, der »kommt und geht, wann er will« bzw. ständig da ist. Es ist sozusagen noch »unbewusster« und einer willentlichen Veränderung noch weniger zugänglich. An diesem Punkt setzt kommunikative Schmerztherapie an. Sie basiert unter anderem auf drei grundsätzlichen Fragestellungen:
⢠Auf welche Weise kann der Therapeut dem unbewussten System des Patienten Informationen über seine Muskelaktivität geben, sodass er diese bewusst erleben und lernen kann, sie zu harmonisieren bzw. sie selbst zu steuern?
⢠Wie sieht eine »Orientierung an der subjektiven Innensicht« aus, um sicherzugehen, dass es sich um die in dem Moment passenden Informationen handelt?
⢠Was muss berücksichtigt werden, um den Prozess kommunikativ zu gestalten?
Die Beantwortung dieser Fragen führt uns zu verschiedenen Methoden und Techniken. Ich möchte sie Ihnen anhand von Ãbungen und Therapiegeschichten vorstellen und dabei zunächst »verbale« von »manuellen« Methoden (siehe Abb. S. 51) getrennt voneinander schildern. Dies vereinfacht das Lesen. Doch wie Sie sich schon denken können, geht es in der Praxis nicht um ein Entweder - Oder, sondern um eine Kombination beider Wege, die jeweils individuell angepasst werden.
Kommunikation über Muskelaktivität - verbale Techniken
»Wenngleich die Worte eines Arztes verletzen können - noch viel gröÃer ist ihr Potenzial zu heilen ⦠Ich kenne nur wenige Heilmittel, die mächtiger sind als ein sorgsam gewähltes Wort.«
Bernard Lown, »Die verlorene Kunst des Heilens«
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Bei verbalen Methoden, zu denen auch die Progressive Muskelentspannung (siehe S. 89 ff.) gehört, leitet der Therapeut einen (oder auch mehrere) Patienten verbal an, sich mit seinem unbewussten Spannungsverhalten auseinanderzusetzen. Die Kommunikation mit dem Nicht-Bewusstsein erfolgt sozusagen indirekt über sein bewusstes Verhalten, also über die GroÃhirnrinde (siehe auch »Drei-Ebenen-Modell des Gehirns«, S. 29). Diese Kommunikation kann letztendlich in allen Methoden aus dem Bereich Körpertherapie, Physiotherapie, Sport(therapie) und Gymnastik angewandt werden, aber auch bei mentalen sowie meditativen Techniken, psychotherapeutischen Methoden, Entspannungsübungen und auch in Kombination mit mental-suggestiven Methoden wie etwa dem bekannten »Autogenen Training«. Jedes Verhalten zeigt sich immer körperlich und psychisch, deshalb kann das subjektive Erleben von Spannung auch zwischen beiden Erscheinungen wechseln.
Somit ist ein wichtiges Prinzip kommunikativer Therapie, dass man dabei immer den ganzen Menschen im Auge behält, um die Behandlung bei Bedarf anpassen, die Therapieebene erweitern oder wechseln zu können. Aus diesem Grund lässt sich kommunikative Schmerztherapie am leichtesten mit Methoden realisieren, die bereits in ihrer Konzeption Körper und Psyche vereinen. Ihnen begegnet man mittlerweile immer häufiger, zumindest ihre Namen sind bekannt. Gemeint sind vor
allem sogenannte » ganzheitliche Körpertherapien « sowie » Körperpsychotherapien «. Einige arbeiten verbal, andere manuell, meist werden beide Ebenen kombiniert.
Doch aufgepasst! Ein Name alleine garantiert nicht,
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