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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Weitzer
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sich bestimmte Muskelgruppen anfühlen und wie man sie kontrollieren kann«.
    In einer kommunikativen Therapie muss der Therapeut deshalb dem Patienten helfen, die Muskelspannung hinter seinem Schmerz wahrzunehmen sowie Zusammenhänge zu erkennen und durch Verhaltensänderung den Schmerz überflüssig zu machen. Der Betroffene muss erleben und sich bewusst darüber werden, wie er seinen Schmerz selbst produziert und wie er dies aufgeben kann.
    Dazu noch einmal Herr M. (zu einem späteren Therapiezeitpunkt): »Jetzt merke ich, dass ich mir viel mehr Rückenschmerzen mache, wenn ich besonders gut und perfekt sein
will und Angst habe, dass ich nicht rechtzeitig fertig werde.« Damit meinte er seine beruflichen Tätigkeiten, denn ihm war schon lange aufgefallen, dass er in zeitstressigen Situationen besonders starke Schmerzen hatte. Er konnte sie jedoch nicht verhindern, da ihm dies immer erst hinterher bewusst wurde. Das alleinige »Wissen vom Kopf her«, dass eine Spannung (ein bestimmtes Körpergefühl, eine bestimmte Empfindung, Befindlichkeit, Stimmung oder Emotion) andere Spannungen oder auch Schmerzen auslöst, reicht also nicht aus. Man muss diesen Zusammenhang bewusst als sein eigenes Verhalten erleben und auch, wie es sich anfühlt, wenn man die Tätigkeit »entspannter« bzw. »im Spannungsgleichgewicht« ausführt. Man muss erleben, dass man selbst entscheiden kann und die Wahl hat.
    Â 
    Schmerztherapie hat sich also an der Innensicht und am subjektiven Erleben des Patienten zu orientieren (vgl. Kapitel 1). Doch wie wird Muskelspannung hinter dem Schmerz erlebt, wie fühlt sich ein entspannter Körper und wie eine Tätigkeit an, wenn man sie im Spannungsgleichgewicht ausführt? Natürlich sind auch dies höchst individuelle Empfindungen.
    Im Folgenden schildere ich Ihnen jedoch zur besseren Orientierung, wie es Patienten aus meiner Praxis beschreiben. Viele erleben zunächst keine Spannung - oft wegen der Medikamente - und wissen daher nicht, wovon ich spreche, wenn ich nachfrage. Sie erzählen mir vielleicht, ihr Masseur stelle immer fest, dass die rechte Seite des Nackens total verspannt sei, sie das aber nicht so erleben. Sie fühle sich zwar »irgendwie anders an als die linke«, aber sie fänden nicht die Worte, um dies zu beschreiben. Andere erleben Verspannungen an einer Stelle, wo gar keine Schmerzen sind. Wieder andere erleben einen Druck, ein bestimmtes Körpergefühl wie Enge oder Schwere. Manche haben das Gefühl, ein bestimmter Bereich des Körpers »gehört nicht zu mir«. Manchmal fühlt sich eine Schulter,
ein Arm oder ein Bein schwerer oder leichter an als auf der anderen Seite bzw. größer oder kleiner, heller oder dunkler, wärmer oder kälter. Oder ein Körperteil fühlt sich an, »als möchte er sich verstecken«.
    Da in der Steuerung der Skelettmuskulatur immer auch die Psyche ihren Ausdruck findet, kann die Spannung hinter einem Schmerz statt als bestimmte Körperempfindung akut auch als innere Unruhe oder gar Angst, als Traurigkeit oder Wut oder als irgendeine andere Emotion, Befindlichkeit und Stimmung erlebt werden - doch dies wird vom Patienten normalerweise nicht damit in Verbindung gebracht. Entscheidend ist, dass Spannung erst wahrgenommen werden kann, wenn man weiß, wie sich Entspannung anfühlt und wenn man den Vergleich hat. Folglich muss ein erstes Ziel in der Schmerztherapie sein, diese Vergleichsmöglichkeit zu schaffen. Wie, das erfahren Sie im nächsten Kapitel. Dort finden Sie auch ein paar Anregungen, mit denen Sie vielleicht sogar selbst schon den Unterschied zwischen Spannung und Entspannung bzw. Ihr Spannungsgleichgewicht erleben und wie sich damit auch Ihr Schmerz verändert.
    Muskelaktivität und Muskelspannung bestimmen Ihr Körpergefühl und das Bild, das Sie von Ihrem Körper haben. Dieser subjektive Körper hat nichts mit dem objektiven zu tun, den Medizin und Therapie behandeln. Natürlich können für den therapeutischen Prozess auch Medikamente und Eingriffe von außen notwendig sein. Sie werden jedoch den Schmerz - als Verhalten - nicht beseitigen. Sie sind vielleicht eine notwendige vorübergehende Hilfe, stehen aber unter Umständen auch dem Spannungsgleichgewicht und damit der erfolgreichen Schmerzkontrolle im Wege. Aus der Innensicht gibt es keine Unterscheidung zwischen körperlich und psychisch bedingten

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