Siddharta
eine Hochzeit mit und kam
Überaus zufrieden von der Reise zurück. Kamaswami machte
ihm Vorwürfe, daß er nicht sogleich umgekehrt sei, daß er
Zeit und Geld vergeudet habe. Siddhartha antwortete: »Laß
das Schelten, lieber Freund! Noch nie ist mit Schelten etwas
erreicht worden. Ist Verlust entstanden, so laß mich den Ver-
lust tragen. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Reise. Ich habe
vielerlei Menschen kennengelernt, ein Brahmane ist mein
Freund geworden, Kinder sind auf meinen Knien geritten,
Bauern haben mir ihre Felder gezeigt, niemand hat mich für
einen Händler gehalten.«
»Sehr hübsch ist dies alles«, rief Kamaswami unwillig,
»aber tatsächlich bist du doch ein Händler, sollte ich meinen!
Oder bist du denn nur zu deinem Vergnügen gereist?«
»Gewiß«, lachte Siddhartha, »gewiß bin ich zu meinem
Vergnügen gereist. Wozu denn sonst? Ich habe Menschen und
Gegenden kennengelernt, ich habe Freundlichkeit und
Vertrauen genossen, ich habe Freundschaft gefunden. Sieh,
Lieber, wenn ich Kamaswami gewesen wäre, so wäre ich so-
fort, als ich meinen Kauf vereitelt sah, voll Ärger und in Eile wieder zurückgereist, und Zeit und Geld wäre in der Tat verloren gewesen. So aber habe ich gute Tage gehabt, habe ge-
lernt, habe Freude genossen, habe weder mich noch andere
durch Ärger und durch Eilfertigkeit geschädigt. Und wenn ich
jemals wieder dorthin komme, vielleicht um eine spätere Ernte
zu kaufen, oder zu welchem Zwecke es sei, so werden
freundliche Menschen mich freundlich und heiter empfangen,
und ich werde mich dafür loben, daß ich damals nicht Eile
und Unmut gezeigt habe. Also laß gut sein, Freund, und
schade dir nicht durch Schelten! Wenn der Tag kommt, an
dem du sehen wirst: Schaden bringt mir dieser Siddhartha,
dann sprich ein Wort, und Siddhartha wird seiner Wege ge-
hen. Bis dahin aber laß uns einer mit dem ändern zufrieden
sein.«
Vergeblich waren auch die Versuche des Kaufmanns, Sid-
dhartha zu überzeugen, daß er sein, Kamaswamis, Brot esse.
Siddhartha aß sein eignes Brot, vielmehr sie beide aßen das
Brot anderer, das Brot aller. Niemals hatte Siddhartha ein Ohr
für Kamaswamis Sorgen, und Kamaswami machte sich viele
Sorgen. War ein Geschäft im Gange, welchem Mißerfolg
drohte, schien eine Warensendung verloren, schien ein
Schuldner nicht zahlen zu können, nie konnte Kamaswami
seinen Mitarbeiter überzeugen, daß es nützlich sei, Worte des
Kummers oder des Zornes zu verlieren, Falten auf der Stirn
zu haben, schlecht zu schlafen. Als ihm Kamaswami einst-
mals vorhielt, er habe alles, was er verstehe, von ihm gelernt, gab er zur Antwort: »Wolle mich doch nicht mit solchen Spaßen
zum besten haben! Von dir habe ich gelernt, wieviel ein Korb
voll Fische kostet, und wieviel Zins man für geliehenes Geld
fordern kann. Das sind deine Wissenschaften. Denken habe
ich nicht bei dir gelernt, teurer Kamaswami, suche lieber du,
es von mir zu lernen.«
In der Tat war seine Seele nicht beim Handel. Die Ge-
schäfte waren gut, um ihm Geld für Kamala einzubringen,
und sie brachten weit mehr ein, als er brauchte. Im übrigen
war Siddharthas Teilnahme und Neugierde nur bei den Men-
schen, deren Geschäfte, Handwerke, Sorgen, Lustbarkeiten
und Torheiten ihm früher fremd und fern gewesen waren
wie der Mond. So leicht es ihm gelang, mit allen zu sprechen,
mit allen zu leben, von allen zu lernen, so sehr ward ihm den-
noch bewußt, daß etwas sei, was ihn von ihnen trennte, und
dies Trennende war sein Samanatum. Er sah die Menschen
auf eine kindliche oder tierhafte Art dahinleben, welche er
zugleich liebte und auch verachtete. Er sah sie sich mühen,
sah sie leiden und grau werden um Dinge, die ihm dieses
Preises ganz unwert schienen, um Geld, um kleine Lust, um
kleine Ehren, er sah sie einander schelten und beleidigen, er
sah sie um Schmerzen wehklagen, über die der Samana lä-
chelt, und unter Entbehrungen leiden, die ein Samana nicht
fühlt.
Allem stand er offen, was diese Menschen ihm zubrachten.
Willkommen war ihm der Händler, der ihm Leinwand zum
Kauf anbot, willkommen der Verschuldete, der ein Darlehen
suchte, willkommen der Bettler, der ihm eine Stunde lang
die Geschichte seiner Armut erzählte, und welcher nicht halb
so arm war als ein jeder Samana. Den reichen ausländischen
Händler behandelte er nicht anders als den Diener, der ihn ra-
sierte, und den Straßenverkäufer, von dem er sich beim Ba-
nanenkauf um
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