Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Büchern eine neue Methode des Arithmetikunterrichts zugrunde legten, die als »Neue Mathematik« bezeichnet wurde; und da gewöhnlich die einzigen, die sich die Bücher ansahen, Lehrer oder Leute von der Schulbehörde waren, hielt man es für eine gute Idee, daß jemand, der die Mathematik wissenschaftlich anwendet , der weiß, was am Ende dabei herauskommt und zu welchem Zweck sie unterrichtet wird, bei der Bewertung der Schulbücher behilflich war.
Ich muß damals Schuldgefühle gehabt haben, weil ich nicht mit der Regierung zusammenarbeitete, denn ich willigte ein, in diese Kommission zu gehen.
Sofort bekam ich Briefe und Telephonanrufe von Verlagen. Da hieß es etwa: »Wir freuen uns, davon Kenntnis zu erhalten, daß Sie in der Kommission sind, denn es war immer schon unser Anliegen, daß ein Wissenschaftler...«, und: »Es ist ausgezeichnet, daß ein Wissenschaftler in der Kommission sitzt, denn unsere Bücher sind wissenschaftlich orientiert...« Aber sie äußerten auch Dinge wie: »Wir mochten Ihnen erläutern, worum es in unserem Buch geht...«, und: »Wir sind Ihnen gerne in jeder Weise behilflich, unsere Bücher zu beurteilen ...« Das kam mir irgendwie verrückt vor. Ich bin ein objektiver Wissenschaftler, und da die Schulkinder nur die Bücher bekommen (und die Lehrer das Lehrerhandbuch, das ich ebenfalls erhielt), schien mir jede zusätzliche Erklärung von seiten der Firma eine Verzerrung zu sein. Deshalb wollte ich mit keinem der Verlage reden und antwortete stets: »Sie brauchen mir nichts zu erklären; ich bin sicher, daß die Bücher für sich sprechen werden.«
Ich vertrat einen bestimmten Bezirk, der den größten Teil der Region von Los Angeles umfaßte, nicht aber die Stadt selbst; diese wurde von einer sehr netten Dame aus der Schulverwaltung namens Mrs. Whitehouse vertreten. Mr. Norris schlug vor, ich solle sie treffen und mir von ihr erklären lassen, was die Kommission tat und wie sie funktionierte.
Mrs. Whitehouse berichtete mir zunächst, was in der nächsten Sitzung besprochen werden sollte (es hatte bereits ein Treffen stattgefunden; ich war zu spät bestellt worden). »Es wird um die Zählzahlen gehen.« Ich wußte nicht, was das war, aber es stellte sich heraus, daß es sich um das handelte, was ich für gewöhnlich als ganze Zahlen bezeichnete. Es gab für alles andere Namen, so daß ich von Anfang an eine Menge Schwierigkeiten hatte.
Sie erzählte mir, wie die Mitglieder der Kommission normalerweise zu einer Einschätzung der neuen Schulbücher kamen. Sie erhielten von jedem Buch relativ viele Exemplare und gaben sie an Lehrer und an Beamte der Schulbehörde in ihrem Bezirk weiter. Dann bekamen sie Berichte zurück, in denen stand, was diese Leute von den Büchern hielten. Da ich nicht viele Lehrer oder Beamte der Behörde kannte und weil ich fand, ich könne mir durch Lektüre eine eigene Meinung bilden, entschloß ich mich, alle Bücher selbst zu lesen. (Es gab einige Leute in meinem Bezirk, die erwartet hatten, sich die Bücher ansehen zu können, und die Möglichkeit haben wollten, ihre Meinung zu äußern. Mrs. Whitehouse bot an, deren Berichte zusammen mit ihren eigenen einzureichen, so daß die Leute sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlten und ich mir keine Sorgen über etwaige Beschwerden machen mußte. Sie waren zufrieden, und ich bekam kaum Ärger.)
Ein paar Tage später rief mich jemand aus dem Buchlager an und sagte: »Wir können Ihnen jetzt die Bücher schicken, Mr. Feynman; es sind an die dreihundert Pfund.« Ich kriegte einen Schreck.
»Das geht in Ordnung, Mr. Feynman; wir besorgen jemanden, der Ihnen beim Lesen hilft.«
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das gehen sollte: entweder liest man sie, oder man liest sie nicht. Ich ließ unten in mein Arbeitszimmer ein zusätzliches Bücherbord einbauen (es waren über fünf Meter Bücher) und fing an, alle Bücher zu lesen, über die n der nächsten Sitzung diskutiert werden sollte. Wir wollten mit den Büchern für die Grundschule beginnen.
Es war eine ziemliche Plackerei, und ich saß dauernd unten im Keller und arbeitete. Meine Frau sagt, sie habe in dieser Zeit wie auf einem Vulkan gelebt. Eine Weile war es still, aber dann gab es plötzlich, »KKKKKKRRRRRR CHCHCHCHCHCH!!!« - eine Riesenexplosion von dem »Vulkan« unten im Keller.
Das kam daher, daß die Bücher so miserabel waren. Sie waren fehlerhaft. Sie waren eilig zusammengestoppelt. Sie wollten genau sein, doch sie verwendeten Beispiele (so
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