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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zitterte. »Was sagt er?«
    »Es wäre spät, und er wäre müde.«
    Die Kerze vor ihnen flackerte. Fra Carlomanno schüttelte den Greisenkopf, er beleuchtete noch einmal die Soldaten und wandte sich dann ab, weiter durch die Trümmer geisternd und inmitten der Schuttberge seine Zelle suchend. Seine dürre Gestalt in der langen, schwarzen, an vielen Stellen jetzt zerrissenen Soutane wirkte wie ein riesiger Nachtrabe, der flügellahm über die Steine flattert. Plötzlich sang er wieder, mit zittriger, kindlicher Stimme, hoch und langgezogen, daß es fast ein klägliches Heulen wurde. Er hob die Kerze hoch und wanderte durch die Trümmer. Er trug sie vor sich her wie eine Monstranz, in einer Feierlichkeit und Würde, daß Theo Klein den Kopf senkte und nicht mehr wagte, zu dem irren Mönch hinüberzusehen. Durch die Stille der kalten Nacht, weggeweht von dem Wind, der über den Klosterberg strich, zitterte sein Gesang durch das aufgerissene Schiff der einstmals herrlichen Basilika.
    »Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla:
Teste David cum Sibylla.
Quantus tremor est futurus,
Quando judex est venturus,
Cuncta stricte discussurus!
Tuba, mirum spargens sonum
Per sepulcra regiorum,
Coget omnes ante thronum …«
    Hocherhobenen Hauptes ging er hinter der kleinen, flackernden Kerze her, in seinem stieren Blick noch einen Hauch von Glück und Andacht tragend. Er war in seiner Basilika … er ging durch das Heiligtum seines Klosters, er trug die herrliche Monstranz mit dem Herzen Christi, und die Nacht wurde hell, und die Winde wurden warm, und das Wunder stieg vom Himmel, die Wiedergeburt des Herrn. »Gloria in excelsis Deo …!«
    So traf ihn Major v. Sporken an, als er die Offiziere von seiner Lagebesprechung am Kellerausgang verabschiedete. Er nahm den armen Fra Carlomanno unter den Arm, und die Kerze vor sich hertragend, schritt der Mönch an seiner Seite zu den Kellern des Kollegs, wo Dr. Pahlberg ihn in Empfang nahm. Hier erst, in der Dumpfheit der Katakombe, brach Fra Carlomanno zusammen. Er sackte in den Knien ein, die Kerze fiel aus seinen Totenfingern, von seinen blassen Lippen kam ein irres, unverständliches Stammeln.
    Dr. Pahlberg und v. Sporken trugen ihn zu einem Klappbett in einen kleinen Kellerraum, deckten ihn zu und stopften die Decke bis an den Hals unter seinen Körper. Es war eine kalte Nacht.
    »Ich werde ihm eine Beruhigungsspritze geben.« Dr. Pahlberg blickte auf das ausgezehrte, von weißen Haaren umgebene Gesicht des Greises. »Er wird dann durchschlafen bis zum Mittag.«
    »Und dann?«
    Dr. Pahlberg schloß die Tür des kleinen Raumes und zog mit einer dünnen Nadel eine Flüssigkeit in den Glasraum der Spritze. »Wir werden ihn hierbehalten müssen, bis er stirbt. Es ist unmöglich, ihn zurück ins Tal zu bringen. Man würde ihn glatt abschießen und die Begleitmannschaft dazu! Er muß im Kloster bleiben.«
    v. Sporken nickte. Er gab Pahlberg die Hand und drückte sie fest. »Der letzte Bewohner des Klosters – ein Irrer! Man sollte es als ein Symbol unserer Zeit bezeichnen …«
    Sinnend sah Dr. Pahlberg dem in der Nacht untertauchenden Major nach.
    Nach drei Tagen gefährlichen Rittes erreichten Maria Armenata und Felix Strathmann den Hof der Tante Marias. Es war ein kleines Bauernhaus, hingeduckt in die weite Landschaft der Campagna, umgeben von einigen Pinien, drei Scheunen, einem offenen Stall für fünfzig Schafe und einer Holztränke. Die Schafe waren bereits von den deutschen Truppen aufgekauft worden, nur drei Mulis standen im Stall und brachten des Freitags Gemüse und Obst auf den Markt von Carsoli. Von diesen kargen Einnahmen ernährte sich Donna Rachele – wie man die Tante nannte – und lebte die meiste Zeit in dem großen Raum zum Garten hin. Dieser Garten war ihr ganzer Stolz. Unter Zuhilfenahme eines eingehenden Lehrbuches hatte sie es fertiggebracht, von den ersten Strahlen der Frühlingssonne an bis zum ersten Schneefall immer Blumen, Gemüse und später Obst in solchen Mengen heranzuziehen, daß der Stand der Donna Rachele auf dem Markt von Carsoli stets gut gefüllt und die Sorge um das tägliche Brot eigentlich nie auf dem Hofe eingezogen war. Auch nicht in den Kriegswirren – Donna Rachele hatte die fünfzig Schafe verkauft, gegen gute Lire, die ihr ein Oberstabsintendant gewissenhaft auf den Tisch zählte. Dieses Geld hatte sie im Garten vergraben, und zwar dort, wo es keiner vermutete: unter dem Komposthaufen. Einmal war dieser schreckliche guerra vorbei,

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