Sie fielen vom Himmel
streichelnd, zart, lockend mit dem Versprechen ewiger Schmerzlosigkeit.
Verbissen nähte Pahlberg die riesigen Wunden zusammen. Hoffentlich halten die Ligaturen, dachte er dabei. Hoffentlich reißt keine Arterie. Hoffentlich habe ich nichts vergessen in diesem zerfetzten Leib. Hoffentlich …
August Humpmeier schleppte auf seinem Rücken einen Verwundeten in den Unterstand. Einen jungen Leutnant … man sah es am Haaransatz, an der Stirn, an der Nase … Darunter war nichts mehr … eine einzige blutige Masse, durchsetzt mit Knochen und Zähnen.
»Unterkiefer glatt weggerissen!« sagte Humpmeier und legte den Ohnmächtigen auf einen Strohsack.
Pahlberg sah auf. »Was soll ich damit?«
»Ich dachte, Herr Stabsarzt …« Humpmeier bückte sich. »Zu Herrn Oberstabsarzt?«
»Natürlich. Er soll die Wunde säubern und den Leutnant sofort weitergeben! Hier können wir nichts mit ihm machen!«
Humpmeier lud sich den Besinnungslosen wieder auf die Schulter und schleppte ihn aus dem Unterstand durch das Artilleriefeuer hinüber zu Dr. Heitmann. Mit Unterarzt Dr. Christopher stand dieser inmitten stöhnender Männer und verband, schiente, injizierte und drückte Augen zu. Ab und zu richtete er sich auf, drückte die blutige Hand in das Kreuz und dehnte sich. Er sah Dr. Christopher einen Kopfschuß verbinden … der Verwundete saß auf einem Feldstuhl und grinste dumm vor sich hin. Er schien keine Schmerzen zu haben … er winkte sogar Gustav Drage zu und schrie ihm etwas entgegen. »Was sagt er?« fragte Dr. Heitmann, als Drage an ihm vorbeikam.
Gustav Drage verzog das Gesicht. »›Na, schicke Puppe?‹ hat er gerufen, Herr Oberstabsarzt. Den haben se total blöd geschossen. Es ist eine Sauerei …«
Dr. Heitmann kniete wieder nieder und verband eine große Fleischwunde im Rücken. Der Boden unter ihm war glitschig von Blut. Er achtete nicht darauf, sondern kniete darin. Der Verwundete drehte den Kopf zu ihm hin. »Komme ich durch, Herr Doktor?« fragte er weinerlich. Heitmann nickte. »Ein schöner Heimatschuß, mein Junge. Das gibt eine breite Narbe bis zum Hintern, weiter nichts. In 14 Tagen bist du bei Muttern …«
Der Verwundete drehte sich glücklich herum und verbiß den Schmerz, als Heitmann die Fleischwunde nähte. In 14 Tagen … bei Mutter … in der Heimat … Kein Krieg mehr, kein Trommeln der Artillerie, kein Heulen der Nebelwerfer, kein Panzerbrummen, keine Bomben, kein Tacken von Maschinengewehren, kein dumpfes Plopp der Gewehrgranaten … Ruhe, nichts als Ruhe … In 14 Tagen … Mein Gott, laß 14 Tage sein wie eine Stunde.
Gustav Humpmeier legte den Leutnant mit dem weggerissenen Unterkiefer vor Dr. Heitmann hin. »Mit einem schönen Gruß vom Herrn Stabsarzt.«
Heitmann sah in das entstellte Gesicht. Ein Schauer überlief ihn. »Danke«, sagte er mühsam. »Sagen Sie ihm, ich würde mich revanchieren.«
Vom Monte Cassino her gellte es durch die Luft, hell, trompetenähnlich in der grellen Detonation. Nach der zweiten Welle zerhämmerten neben der Artillerie die Werfer das Trümmerfeld der Abtei. Zischend rasten die Raketen über die Bergstellungen hinweg und schlugen mit grellen Flammen in die Schuttberge.
Im Tal, in seiner Kommandostelle, stand General Freyberg und blickte auf seine Armbanduhr. Die Offiziere um ihn herum verglichen die Zeit.
»Noch genau 66 Minuten«, sagte General Freyberg zufrieden, »und wir besetzen den Berg. Ein Bataillon genügt, meine Herren. Von den Deutschen kann nichts mehr übriggeblieben sein …«
»Wann werden wir heiraten, Carlo?«
Sie strich mit ihren blassen Fingern über seinen Arm. Es war eine scheue und doch unendlich zärtliche Geste. »Erst, wenn der Krieg vorbei ist?«
Sie saßen an der Mauer der Loggia del Paradiso und blickten hinunter in das Tal, durch das der Krieg zog und das Land zerstampfte. Jeder Schritt ein Trichter, jeder Hieb der Hand eine vernichtete Stadt. Es war ein Riese, der über die Felder, Ebenen und Berge stieg und hinter sich rauchendes Elend ließ.
Carlo schüttelte den Kopf. Er war ein junger Bauer und mit Julia in das Kloster geflüchtet, als die Amerikaner über den Rapido setzten und gegen den Monte Cassino stürmten. Sie lebten in einem Keller unter dem Refektorium und saßen heute in der kalten Februarsonne an der Mauer, um etwas Luft zu schöpfen. »Wir werden den Bischof bitten, uns zu segnen«, sagte er leise. »Wir wissen nicht, was kommt, Julia. Ich möchte, daß du meine Frau bist, wenn –« Er stockte und sah
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