Sie fielen vom Himmel
Nachschubs, der des Nachts über die Straßen und Feldwege zur Monte-Cassino-Front rollte. In einem Pinienwald hielten sie das Muli an und kletterten von dem Tier. Maria Armenata schnallte eine Flasche von dem Sitz und reichte sie der anderen Bäuerin. »Trink, mein Glücklicher …«
Obergefreiter Felix Strathmann schob das Kopftuch nach hinten. Maria hatte ihm die Haare kurz geschnitten, sein Gesicht mit Haselnußschale braun geschminkt und ihm ein Kleid der alten Hebamme gegeben, die noch immer mit der Partisanengruppe Larmenattos herumzog.
In langen, gierigen Zügen trank er den sauren Rotwein und reichte ihn dann an Maria weiter. Der Ritt mitten durch die deutschen Nachschubstellungen hatte ihn mürbe gemacht. Er wußte, daß man ihn, ohne lange zu fragen, an die Wand stellen würde, wenn er entdeckt worden wäre. Er setzte sich in das feuchte Gras und starrte zu dem Mädchen empor, das mit ihm auf einem Muli die deutschen Linien durchbrach.
»Wo willst du mich hinbringen?« fragte er leise. Er wagte nicht laut zu sprechen, aus Angst, eine Patrouille auf sie aufmerksam zu machen. »Überall, bis nach Rom und hinter Rom bis zu den Alpen … einfach überall sind unsere Soldaten.«
»Ich habe in der Campagna eine zia«, sagte sie unbekümmert von seinen Sorgen.
»Und was soll ich bei deiner Tante?«
»Dort verstecken wir dich, und du überlebst den Krieg. Tante hat einen Bauernhof, nicht groß, aber in der Campagna versteckt.«
»Auch dort wird eine Kompanie liegen!« Strathmann sprang auf. Er tastete nach seiner Pistole. Das gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. »Du weißt, was sie mit mir machen, wenn sie mich finden?«
»Si, mein Glücklicher. Aber sie finden dich nicht! Sie können die Länder zerstören, sie können die Dörfer zerstampfen, die Meere besiegen, die Luft einfangen und die Sonne zerstören … aber nicht die Liebe, mio favorito, nicht meine Liebe. Ich kämpfe gegen ganze Armeen, gegen deinen Hitler, gegen alle um dich, carissimo … Eine Frau siegt immer, wenn sie liebt …«
Felix Strathmann setzte sich wieder. Der Wald war dicht, er lag abseits der Nachschubstraße. Ganz von fern hörte er das Rattern der Motorräder und das Brummen der Lastwagen. Ab und zu knirschte es hell durch die Nacht. Panzer, dachte er. Sie rollen zum Monte Cassino. Und die Lastwagen bringen Munition und Verpflegung, Zigaretten und Alkohol … Morgen nacht würde der Essenträger den Berg hinaufkeuchen, durch die Granateinschläge springen und die Kessel und Beutel in die Trümmer des Klosters bringen. Theo Klein würde schon warten und schreien: »Mensch – brauchst du lange. Jetzt ist der Fraß wieder kalt!« Dann würden sie aus den Kochgeschirren die kalte Suppe löffeln und das harte, graue Brot abbeißen … Maaßen … Müller 17 … Bergmann … Klein … Heinrich Küppers … Nur einer fehlte, war vermißt, einfach verschwunden, als habe ihn die Erde aufgesaugt. Der Obergefreite Felix Strathmann aus St. Pauli. Dieses Schwein von Strathmann, das desertierte, in einer Höhle mit einer schönen Italienerin hurte und im Gedächtnis der anderen als Held weiterlebte.
»Woran denkst du, favorito?« riß ihn die helle Stimme Marias aus seinen Gedanken. Er fuhr empor. Sie lag neben ihm und streichelte mit ihren langen, schmalen Fingern über seine Schenkel. Das reizte ihn, das machte ihn wild. Er wollte ihre Hand zur Seite schieben, aber sie klammerte sich an seinem Schenkel fest wie die Kralle einer Katze, mit den spitzen Nägeln in sein Fleisch dringend.
»Ich dachte an meine Kameraden«, keuchte Strathmann. Er fühlte, wie ihn wieder die Lust überflutete und der Drang, ihren weißen Körper mit den Lippen abzutasten, wobei sie wie in der Höhle schreien und stöhnen würde und wild wie eine streunende Katze wurde.
»Denk an mich«, bettelte sie. Ihre Stimme war leise, heiser, erwartungsvoll. Sie schob ihre volle Brust an seinen Arm … er spürte den festen Druck durch das dünne Kleid. »Wir sind wie die Adler in den Bergen, favorito. Frei und stolz, und wir nehmen uns, wenn wir uns sehen und wissen, daß die Welt hinter und unter uns liegt …« Sie schnellte sich herum, warf sich auf ihn, preßte ihn auf die Erde und küßte ihn wild, sich an ihm festsaugend, mit den kleinen Zähnen über seine Lippen ritzend und mit den Händen seine kurzen Haare durchwühlend. »Unersättlich sind wir«, stammelte sie. »Unzähmbar. Wild wie der heiße Wind aus dem Süden … wild wie der kalte Sturm von den Alpen
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