Sie haben mich verkauft
nicht nach Hause fahren, aber als es schließlich so weit war, fand ich einen ernsten Jungen vor, der so viel älter schien als der fröhliche Kleine, den ich zurückgelassen hatte. Die Kopfverletzung hatte Sascha so aggressiv und vergesslich gemacht, dass ich ihn kaum wiedererkannte, und obwohl mir die Ärzte versicherten, er werde sich im Lauf der Zeit wieder ganz erholen, brauchte er weiterhin teure Medikamente.
Und so war ich gefangen in einem ewigen Kreislauf aus Arbeit, Sparen und Geldausgeben. Ich wohnte weiterhin bei Genia, wechselte aber häufig die Arbeitsstelle, um mehr zu verdienen und folglich mehr zu sparen. Nach der Arbeit trafich mich mit Männern, denn ich sehnte mich nach Gesellschaft und hoffte, ich könnte jemanden kennenlernen, der reich genug war, um für mich und die Kinder zu sorgen. Doch ich begegnete keinem, für den ich besondere Gefühle gehegt hätte. Mein ganzes Geld verschlangen die Flüge nach Hause und der Lohn für die Babysitter der Kinder. So hart ich auch arbeitete und zu Gott um ein schöneres Leben betete, es schien, als sollte das niemals wahr werden. Ich kam mir vor wie ein Hamster im Laufrad. Ich brauchte bloß zweitausend Dollar, dann könnte ich, wie Genia mir gesagt hatte, ein Haus in Moldawien kaufen. Davon träumte ich. Doch die Jahre vergingen. Inzwischen war Sascha fast neun, Pascha sechs und Luda fünf. Sie wohnten nicht mehr bei Ira, da sie keinen Platz mehr für sie hatte. Sascha und Luda lebten jetzt bei Tamara, der Mutter meiner Freundin Marina, und ich schickte ihr Geld dafür, dass sie für die Kinder sorgte. Ich wusste, ich musste bald nach Hause fahren, sonst würden sie mich völlig vergessen. Außerdem würde Sergej eines Tages aus dem Gefängnis entlassen werden, und bis dahin musste ich Simferopol weit hinter mir gelassen haben. Ich hatte nicht vergessen, was er mir geschworen hatte.
Eines Abends im April 2001 ging ich mit einer Frau namens Marianna etwas trinken. Sie war die Freundin einer Freundin von Genia und war für eine Weile aus Moldawien zu Besuch gekommen. Ich mochte sie, weil sie immer optimistisch und fröhlich zu sein schien und gern abends ausging, etwas trank und sich amüsierte.
An dem Abend dachte ich viel über mein Dilemma nach und konnte nicht so unbeschwert lächeln und plaudern, wie Marianna das gern gehabt hätte.
»He, was ist denn los mit dir?«, fragte sie schließlich. »Du bist ja ganz schön down heute.«
Ihr freundliches Lächeln löste mir die Zunge, und ich erzählte ihr von all meinen Sorgen.
»Ganz einfach!«, sagte sie. »Ich habe die Lösung für dich. Wieso machst du nicht, was ich gemacht habe? Wenn ich nicht zu Hause in Moldawien bin, arbeite ich in einem Nachtklub in Bosnien. Ich arbeite nur ein halbes Jahr und verdiene genug, um die andere Hälfte des Jahres bequem zu Hause zu leben.«
»Was machst du denn da so?«
»Ach, weißt du, ich serviere Drinks und arbeite hinter der Bar. Ehrlich, Oxana, das ist leicht verdientes Geld. Wodka einschenken, mit den Kunden reden, und die Trinkgelder, die ich bekomme, kann ich in voller Höhe behalten.«
»Und was verdienst du da?«
»Vierhundert Dollar im Monat.«
»Vierhundert!« Ich riss die Augen auf. Ein paar Monate mit dem Verdienst, und ich hätte genug, um ein Haus für die Kinder und mich zu kaufen.
»Du könntest das auch, wenn du nur wolltest«, sagte sie beiläufig. »Es gibt viele reiche Leute in Bosnien, und es besteht immer Bedarf an hübschen Mädchen, die ihnen in teuren Nachtklubs die Drinks servieren. Ich bin sicher, das könntest du.«
»Meinst du wirklich?«
Eine Weile überlegte ich. Die Türkei war mir bei meinem ersten Besuch so fremd vorgekommen, aber jetzt fühlte ich mich wohl hier. Ich wusste nicht genau, ob ich wirklich in ein anderes Land wollte.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich. »Ich habe einen guten Job und würde Genia nur ungern verlassen.«
»Genia wird selber hier weggehen. Ich sag dir was ... Du fährst doch bald in die Ukraine, oder? Na ja, ich fahre zurück nach Moldawien, ehe ich wieder zur Arbeit nach Bosnien gehe.Wieso kommst du nicht nach Moldawien und sagst mir dann, wofür du dich entschieden hast? Wenn du mit willst, können wir zusammen nach Bosnien fahren. Wenn nicht, kannst du wieder hierherkommen. Das sollte Zeit genug für dich sein, einen Entschluss zu fassen.«
Die Idee setzte sich in mir fest, und als ich nach Hause kam, erzählte ich Genia alles, was Marianna mir gesagt hatte.
»Ich weiß
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