Sie haben mich verkauft
sollte ich das allzu bald erfahren.
KAPITEL 13
M arianna und ich lachten und unterhielten uns fröhlich, und der Bus zuckelte durch Moldawien. Stunden später hielten wir an einem Busbahnhof, von wo aus wir unsere Reise nach Rumänien mit dem Zug fortsetzen würden.
Marianna ließ mich ein paar Minuten allein, und dann kam sie mit bedrückter Miene zurück. »Ich kann nicht über die Grenze mit dir«, sagte sie. »Ich war gerade zur Sicherheit noch mal am Fahrkartenschalter, aber da gibt es ein Problem mit meinem Pass. Bis das geklärt ist, darf ich nicht weiterreisen.«
Ich hielt die Luft an. »O nein! Was machen wir denn jetzt?«
»Du fährst ohne mich. Mein Freund Leo wird dich am Bahnhof abholen. Er kümmert sich um dich, und ich komme in ein paar Tagen nach.«
Ich hatte keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte; wir standen da auf dem zugigen Bahnhof, die Leute schwärmten um uns herum, sie hatten es eilig, wollten ihre Züge nicht verpassen.
»Aber ich will nicht ohne dich fahren«, sagte ich schließlich. »Ich soll doch mit dir zusammen die Arbeit beginnen. Ich kann nicht allein fahren.«
»He, wir werden ja zusammen sein«, sagte Marianna sanft. »Sobald ich dieses Problem geklärt habe. Die Fahrkarten sind allerdings gekauft, und du willst deine doch nicht verfallen lassen, oder? Sonst musst du dir eine neue kaufen.«
Ich zögerte. Ich wollte nicht allein fahren, konnte es mir aber auch nicht leisten, zu warten und eine neue Fahrkarte zu kaufen.
»Warum machst du dir denn solche Sorgen?«, fragte sie. »Traust du mir nicht?«
Ich sah ihr in die Augen und erinnerte mich an Genias Rat. Dies war meine letzte Gelegenheit umzukehren, wenn ich ihr nicht traute. Aber Marianna erwiderte ganz offen meinen Blick, und ich verdrängte die Sorgen. »Doch«, sagte ich, »ich traue dir.«
»Gut!«, sagte sie mit dem für sie typischen breiten Lächeln. »Wir werden viel Spaß zusammen haben! Das arme Bosnien wird gar nicht wissen, was da über das Land hereingebrochen ist. Also dann, wir sehen uns bald. Du steigst jetzt besser ein. Tschüss, Kleine.« Sie gab mir einen Kuss.
Ich stieg in den Zug.
Nach einer langen, langweiligen Zugfahrt war ich endlich in Rumänien. Mariannas Freund wartete am Bahnhof. Er entdeckte mich sofort.
»Oxana? Hallo. Marianna hat gesagt, ich soll dich abholen. Sie kommt nach, sobald sie kann. Na dann, wir beeilen uns lieber. Wir wollen doch nicht den Anschluss verpassen.«
Er führte mich zu einem Bus, und wir waren etliche Stunden unterwegs, bis wir in Bukarest am Bahnhof ankamen und in einen Nachtzug nach Timisoara nahe der serbischen Grenze stiegen. Wir redeten nicht viel, denn es war spät, und ich war müde. Als wir in der Stadt ankamen, konnte ich kaum noch die Augen offen halten und wollte nur noch schlafen. Mariannas Freund nahm ein Taxi für uns, und nach kurzer Fahrt kamen wir zu einer Wohnung, in der ein alter Mann wartete. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, aber ich war zu müde, um mir darüber Gedanken zu machen, und schlief ein, kaumdass man mich ins Schlafzimmer geführt hatte. Bald wären wir in Bosnien, und diese furchtbare Reise wäre vorüber.
Als ich aufwachte, war es Tag. Ich verließ das Schlafzimmer und stellte fest, dass Mariannas Freund weggegangen und ich allein mit dem alten Mann war.
»Such dein Zeug zusammen«, sagte er auf Russisch. »Wir müssen los.«
Wieder regte sich die Angst in mir, aber ich verdrängte sie. Marianna würde bald nachkommen, obwohl ich mir wünschte, ihr Freund wäre hier statt des alten Mannes. Da war irgendetwas in seinem Blick – richtige Fuchsaugen hatte er –, das mir nicht behagte.
Der alte Mann schwieg, während wir ein von Bäumen umstandenes Wohnhaus betraten und an einer Tür im Erdgeschoss klopften. Sie wurde geöffnet von ungefähr der größten Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe – sie war etwa einen Meter zweiundachtzig groß, trug einen marineblauen Rock und eine farblich dazu passende Bluse, und sie hatte dunkles, welliges Haar und eine Haut wie ein Kind.
Schnell redete sie auf den alten Mann ein, bis er sie unterbrach: »Sie ist Russin – sie versteht dich.«
Die Frau drehte sich zu mir um. »Hallo«, sagte sie mit einer tiefen Männerstimme. »Ich heiße Sweta. Ich muss mich kurz mit ihm unterhalten, also könntest du bitte auf uns warten?«
»Klar«, antwortete ich, und sie zog mich ins Haus und schloss die Tür hinter mir.
Ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde,
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