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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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heißt:
    ›Und wahrlich, auch das Volk von El-Hidschr zieh die Gesandten der Lüge. Und wir brachten ihnen unsere Zeichen, doch wendeten sie sich ab von ihnen. Und sie höhlten sich sichere Wohnungen in den Bergen aus, und da überkam sie der Schrei am Morgen, und all ihr Tun frommte ihnen nichts.‹«
    Mit diesen Worten nahm er seinen Stock wieder in die Rechte und verschwand in der Dunkelheit, aus der er gekommen war.
    Die Männer saßen noch eine Zeitlang stumm, beklommen, bis ihre rauen Stimmen allmählich wieder das Knacken und Prasseln des Feuers übertönten. Doch ließen sie Fackeln entzünden, um die Dunkelheit zurückzudrängen, und mancher blickte sich verstohlen um, wenn der Wind aus der Ferne das gespenstische Lachen einer Hyäne herübertrug.
    Auch Daud musterte die seltsamen Felsen, in deren Mitte sie lagerten und die im bleichen Mondlicht zu schlafen schienen. Doch nicht Furcht, sondern Hoffnung erfüllte sein Herz. Aus den Gesprächen wusste er, dass die nächste Oase, al-Ula, in der die Männer Mu'âwijas lagerten, nur etwa fünf Wegstunden entfernt lag. Der Pfad dorthin wurde öfters von Karawanen begangen und konnte nicht schwer zu finden sein. Wenn er sich später, wenn alle schliefen, unbemerkt wegstahl, immer den Hufspuren folgte, so müsste er im Lichte des Vollmonds den Weg bis zum frühen Morgen schaffen. Die syrischen Soldaten würden ihn vor den ägyptischen Glaubenskämpfern beschützen, ihn nach Medina zurückkehren lassen, wo seine Familie lebte und Fatima wartete, ein stilles, dunkeläugiges Waisenmädchen, dessen Vormund wohlwollend genickt hatte, als Dauds Vater unlängst eine mögliche Heirat angesprochen hatte.
    Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Männer schienen das nächtliche Dunkel, das Alleinsein und die Stille zu scheuen, so dass sie immer wieder Äste auf das Feuer warfen. Einer der Älteren begann, von den Feldzügen nach Westen zu erzählen, die bald ein Jahrzehnt zurücklagen. Wie sie bis zur Stadt Leptis vorgestoßen waren, wo ihnen der Statthalter der Rum mit seinem Heer entgegengetreten war, und wie sie ihn mitsamt seinen Männern niedergehauen hatten. Doch dann, als die Eroberung von Karthago, ja der ganzen Provinz Africa schon zum Greifen nahe schien, war Uthman ihnen in den Rücken gefallen. Der Kalif, wohl vom Neid auf ihre Siege zerfressen, hatte ihnen jede Verstärkung verweigert. So war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als die Goldstücke zu nehmen, mit denen sich die Städte der Rum loskaufen wollten, und wieder nach Fustat zurückzukehren, in dieses öde Zeltlager, wo sie seitdem untätig herumsitzen mussten, während woanders Sieg um Sieg für den Glauben erfochten wurde.
    Ammâr war einer der letzten, der sich gähnend erhob und zu seinem nahen Schlafplatz schritt. Daud folgte ihm und zog die Wolldecke über den massigen Leib seines Herrn, so dass der kalte Nachtwind durch keine Ritze eindringen konnte, bevor er sich zähneklappernd in seine eigene geflickte Decke hüllte. Bald würde lautes Schnarchen einsetzen, er brauchte nicht lange zu warten, dann endlich …
    ***
    Als er jedoch schließlich aufschrak, wusste er nicht, wie lange er geschlafen hatte. Der Mond war hinter Wolken verschwunden, das Feuer heruntergebrannt. Der Wind hatte aufgefrischt, pfiff an den Felsen entlang und wirbelte Staub und trockene Blätter durch das Tal. Irgendwo heulte eine Hyäne, eine zweite folgte. Einige Dutzend Schritte entfernt, im Schein einer im Wind flackernden Fackel, hielt ein Mann Wache.
    Daud spürte die Gänsehaut auf seinen Armen, der Schnupfen hatte sich verschlimmert und seine Nase war wie mit einem Pfropfen verschlossen. Sollte er es wirklich wagen, alleine durch diese Welt der Toten und der Dschinns zu irren? Ohne zu wissen, wie viele Stunden ihm noch blieben? Wie weit er laufen konnte, bevor die unbarmherzige Sonne in jeden Winkel dringen und das Tal erneut in einen Glutofen verwandeln würde?
    Langsam richtete er sich auf und schüttelte entschlossen den Kopf. Eine solche Gelegenheit würde sich nie wieder bieten. Jeder Tag entfernte ihn weiter von seiner Heimat. Notfalls konnte er sich in einer dieser unzähligen Höhlen verstecken, die einst die Heiden in die Felsen geschlagen hatten. Wenn er nur erst aus dem Lager heraus war …
    Rund achtzig Männer bildeten die Karawane. Dicht an dicht gepackt lagen sie auf dem Boden, ihr Schnarchen mischte sich mit dem Zirpen der Grillen. Da die besten Plätze in der Mitte den Anführern

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