Sie kannten keine Gnade - Western (German Edition)
"Wir haben gleich neun Uhr vormittags", sagte er. "Ich brauche deinen Schatten, Reverend. Bleib mal ruhig stehen."
Reverend Sequoiah Watts tat wie geheißen und erstarrte. Big Sam hielt die Uhr in seiner flachen Hand. Er drehte sie, bis der Stundenzeiger am Schatten entlang auf den alten Indianer zeigte. Dann suchte er mit seinen Augen die Mitte zwischen neun und zwölf Uhr und deutete in diese Richtung. "Hier geht's nach Süden."
Reverend Sequoiah schwang sich aufs Pferd. "Hast du ein Ziel?"
"Ungefähr einen Tagesritt südöstlich von hier liegt ein Zeltlager der Hopi", sagte Big Sam. "Wir könnten es bis Sonnenuntergang erreichen und dort überwintern. Denkst du, wir kommen durch? Oder frißt uns die Prärie?"
Reverend Sequoiah Watts hob seine Nase in den Wind und blinzelte in die Sonne. Er schloß die Augen und horchte in sich hinein. "Wir kommen durch."
Die beiden Männer verließen den Ulmenhain. Die Schöße ihrer Mäntel flatterten im Wind, während sie nach Süden trabten. Die Sonne zeichnete ihre schwarzen Schatten in den funkelnden Schnee.
*
Rowdy Randall trug die Fellmütze tief im grimmigen Gesicht. Doc Snakes speckige Melone glänzte in der Sonne. Gemeinsam stapften sie über den verschneiten Hof und erklommen die Veranda. Randall klopfte. Als Doreen eine Spalt weit öffnete, drückte er die Tür auf und trat polternd ein. Dicht hinter ihm stolperte Doc Snake ins Haus. Dessen Atem erfüllte die warme Luft der Stube mit Alkoholdunst.
Doreen zog eine Grimasse. "He, was wollt ihr?" sagte sie.
Rowdy Randall blickte sich um. In einer Ecke saßen Sarah und Mary. Sie rupften eine Gans und ignorierten die Eindringlinge. Im Hinterzimmer des Blockhauses sang Isabella Gutierrez ihre Saloon-Songs.
"Schön warm habt ihr's hier", sagte Rowdy Randall und rieb sich die Hände. "Richtig mollig. Ihr solltet euch mal ein paar Stunden rübersetzen zu uns in den Stall."
"Dort ist es kalt", sagte Doc Snake. Seine wäßrigen Augen glotzten das Mädchen an. "Zum Glück gefriert Brandy nicht. Sonst wären wir schon erfroren, stimmt's Randall?"
Der Gesang von Isabella Gutierrez verstummte.
Die Tür zum Hinterzimmer öffnete sich. Art Ratcliff lehnte sich in den Rahmen. Um die Hüften trug er seinen Revolvergürtel. "Doreen, dumme Pute!" knurrte er. "Warum steht die Tür offen?" Die Rothaarige schloß hastig die Tür. Er wandte sich zu Rowdy Randall und Snake. "Und was wollt ihr zwei Clowns hier?"
Rowdy Randall sah den Colt in Ace Ratcliffs Holster. Er schlug die Augen nieder. "Boß", sagte er. "Wir hängen nun schon seit einer Ewigkeit im Stall rum."
"Ihr habt doch ein Kartenspiel", sagte Ace Ratcliff. "Und Whisky. Was wollt ihr noch?"
"Der Comanche hat ein paarmal verloren", sagte Randall. "Und was macht er? Er hackt mit seinem dämlichen Messer auf die Karten ein."
"Dabei sollte er seinen Arm schonen", sagte Doc Snake.
"Die Karten sind also hinüber", sagte Rowdy Randall. Er zuckte die Schultern. "Da dachten wir, der Doc und ich, wir ziehen mal um ins Haus und hören Miss Isabella ein wenig beim Singen zu." Er deutete mit dem Daumen auf Sarah und Mary. "Die Puppen können ihre Gänse doch genauso gut im Stall rupfen. Was sagst du, Boß?"
Art Ratcliff schnaubte verächtlich. "Schnapsidee, Randall. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Besorg uns was Vernünftiges zu essen. Wenn dir langweilig ist, geh Fallenstellen."
"Hab ich schon", erwiderte Rowdy Randall. "Gefangen hab ich auch was."
"Na prima. Dann schnapp dir eine Zeltplane und bau ein Räuchertipi. Mach dich nützlich. Und Doc, dich braucht Bloody Arrow, wie du weißt."
Rowdy Randall und Doc Snake zogen lange Gesichter. Sie stritten noch ein wenig mit Ratcliff. Dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloß. Sarah blickte ihnen durch die mit Eisblumen verzierte Scheibe nach. Sie sah, wie die beiden draußen heftig zeterten. Sie verschwanden im Stall.
Dort striegelte Nogales sein Pferd. Als er das Poltern an der Tür hörte und sah, wer eintrat, fragte er, "Wo wart ihr?"
"Wir haben Miss Isabella beim Singen zugehört", sagte Doc Snake und nieste.
"Ich hab euch draußen gehört", sagte der Comanche grimmig. Er saß zwischen den Heuballen und schnitzte an einem Stück Holz herum. "Ihr wolltet ins Haus umziehen."
"Na und?" sagte Rowdy Randall beleidigt.
"Ihr haltet euch wohl für was Besseres." sagte Bloody Arrow und warf das Holzstück in Randalls Richtung. Der wich aus.
"Weil man mit dir nicht Kartenspielen kann", sagte Rowdy Randall.
Die
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