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'Sie können aber gut Deutsch'

'Sie können aber gut Deutsch'

Titel: 'Sie können aber gut Deutsch' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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und die Heimat seiner Eltern von zwei Besuchen sowie einem Bildband kannte, der im Haus seiner Eltern auf dem Couchtisch lag, nicht, weil sie die Bilder häufig anschauten, sondern meinten, in einem deutschen Bildungshaushalt hätten auf dem Couchtisch Bildbände zu liegen, antwortete auf diese Frage immer: »Sie aber auch!« Das klingt höchstwahrscheinlich nicht besonders freundlich und stößt die Fragenden bestimmt vor den Kopf, aber vor den Kopf gestoßen fühlt auch er sich, sagt er, immer und immer wieder, wenn die Menschen sein Zuhause, seine Heimat mit diesem einen Satz in Frage stellen. »Sie sprechen aber gut Deutsch!« Was soll ich denn sonst sprechen?

    Schön ist auch: »Du bist doch nicht gemeint!« »Du bist doch nicht gemeint!« macht Angst, weil es deutlich macht, dass ich gemeint sein könnte. Es macht Angst, weil es daran erinnert, wie unsensible Lehrer gute Schüler nach vorne an die Tafel holten und sie der Klasse als »wenn man lernt wie Julia/ Tom/Daniel/Kathrin, dann schreibt man auch eine gute Note, und mit guten Noten stehen einem später alle Türen offen …« präsentierten; die »Streber«-Rufe in der großen Pause waren einem garantiert, auch das Gefühl der Traurigkeit und der Einsamkeit, wenn man sein Pausenbrot alleine, möglichst unsichtbar in eine Ecke verkrümelt, aß, der Streber und sein Brot. Aus einer Masse hervorgehoben zu werden, aus der man nicht hervorgehoben werden möchte, erst recht nicht in dieser herablassenden Art. »Du bist doch nicht gemeint!«, nach Tiraden über integrationsunwillige Ausländer im Allgemeinen, über die alte griechische Nachbarin, die seit 40 Jahren hier lebt und kein Deutsch spricht im Besonderen und schwarzdunkle Prognosen über ein islamistisches Deutschland weckt in mir den Wunsch, doch lieber gemeint zu sein. Nicht auf der falschen Seite gelandet zu sein.
    Es ist nicht einfach. Fragen können unterschiedlich gemeint, unterschiedlich verstanden werden, und manchmal brauchen Fragen Übersetzer, nicht aufgrund der nicht vorhandenen gemeinsamen Sprache, sondern weil sie von vorneherein mit Ängsten befrachtet sind.
    Ich traf einen Tag zu spät auf einer Veranstaltung junger, interessierter, politisch und gesellschaftlich engagierter, beruflich erfolgreicher Menschen ein, die von einer Stiftung eingeladen worden waren, sich gemeinsam und interdisziplinär – interdisziplinär ist heute immer gut – Gedanken darüber zu machen, wie man Deutschland zu einem noch besseren Ort machen könnte. An dem Tag, den ich verpasst hatte, hatte man
sich mit einem jungen, interessierten, politisch und gesellschaftlich engagierten, beruflich erfolgreichen Mann mit Migrationshintergrund getroffen. Als ich ankam, fragte ich, wie das Treffen war. Ich fragte eine »urdeutsche« Bekannte.
    »Etwas unangenehm«, sagte sie. »Wir haben ihn zum Beispiel nach der politischen Situation in seiner Heimat gefragt, da hat er pikiert reagiert und nur gemeint, seine Heimat sei Berlin, Berlin gehe es ganz gut, wie wir sehen könnten, wenn wir aus dem Fenster schauten. Aber in einem Tonfall … Oder wir haben ihn gefragt, wo er seine Identität verwurzelt sähe, da hat er ähnlich patzig reagiert. Wir haben uns doch nur interessiert …«
    Ich fragte dann einen Bekannten »mit Migrationshintergrund«, wie er das Treffen empfunden habe, nicht um eine andere Meinung zu hören, sondern um Small Talk zu machen.
    »Etwas unangenehm«, sagte er. »Die meisten Teilnehmer haben die üblichen Fragen gestellt, kennen wir ja alles zur Genüge. Wo sein Zuhause sei, und als was er sich denn nun fühlen würde, nach der politischen Situation im Land, aus dem seine Eltern stammen. Und sie wollten überhaupt nicht verstehen, was ihn daran störte! Dass er einfach mal wieder abgestempelt wurde als der mit Migrationshintergrund.«
    Ich verstand beide und wollte so gerne, dass sie sich auch gegenseitig verstehen. Die Be- und Überempfindlichkeiten, die Ängste auf beiden Seiten. Ich wollte meiner »urdeutschen« Bekannten, die nichts weiter als Interesse zeigte, so schätze ich sie ein, gerne sagen, dass ich das Verhalten des Gesprächspartners unangemessen fand, dass es unfair sei, auf Interesse so übersensibel zu reagieren. Und gleichzeitig auch antworten: Ihr habt euch getroffen, um über die politische Situation in Deutschland heute zu diskutieren. Warum fragt ihr ihn nach seiner angeblichen Heimat? Warum unterstellt ihr ihm, seine
Heimat sei nicht Deutschland, über dessen politische

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