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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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hier, mal dort, worüber er nicht sprechen möchte, er sagt, sie leben gut. Den Eindruck habe ich auch, es ist nicht meine Art zu leben, auch nicht die der Menschen, die ich kenne, für sich genommen aber sind sie eine stabile Familie, die in ihrer eigenen Welt, in ihrem Alltag, in ihren Strukturen gut zurechtkommt. Zum Abschied bietet man mir Wasser an. Zum Abschied, weil es sich ihrem Brauch nach so gehört; die deutsche Gepflogenheit, gleich zu Beginn eines Besuchs ein Getränk anzubieten, ist in ihren Augen eine Geste der Unhöflichkeit, so als wollten die Gastgeber sagen: »Gehst du bitte gleich wieder?« Auch darin unterscheiden sich unsere Welten.

    Als ich gehe, nachdem ich mein Wasser getrunken habe, bedanke ich mich bei der Frau, und sie schaut zu ihrer Tochter und fragt diese etwas. Das Mädchen sagt »bitte« auf Deutsch, und die Mutter wiederholt es schüchtern, lächelnd und ein wenig stolz: »Bitte.«
    Dann stehe ich draußen in der grellen Sonne und muss erst einmal wieder ankommen in dieser Welt. Ich schaue zum Spielplatz, Kinder auf dem Klettergerüst, es hätten die Kinder der Familie K. sein können, sie sprechen alle Deutsch miteinander. Neben den Sandkästen bei den kleineren Kindern Mütter, Mütter in Hijabs, die nicht miteinander reden. Ein Auge auf ihre Kinder, manchmal diese ermahnend, worauf die Kinder sofort brav reagieren, wie meine es nie tun. Die Mütter sitzen auf der Bank, sonst nichts.
    Integrationsverweigerer, ein fragwürdiger Begriff. Und die Realität? Frau K. möchte kein Deutsch lernen, sie möchte keine Menschen in diesem Land kennenlernen, sie möchte einfach nur in ihrer eigenen Welt leben, ohne zu stören, aber auch ohne gestört zu werden. Dass diese sich in einem Land namens Deutschland befindet, ist ihr mehr oder weniger egal, solange die Kinder sicher sind, solange es nicht so gefährlich für sie ist wie in Palästina. Integration? Sie entscheidet sich nicht explizit dagegen, sie denkt einfach nicht darüber nach, weil sie in ihrer eigenen Welt ihr eigenes Leben lebt, mit dem sie zufrieden ist. Sie hat nichts gegen Deutschland, sie hat aber auch nichts dafür übrig. Sie gehört zwar nicht zu den berühmt-berüchtigten kurdisch-libanesischen Clans in Berlin-Neukölln, Integrationsverweigerung nennt man das trotzdem.
    Sie ist nicht die Einzige, der es so geht. Es leben viele Menschen in diesem Land, die dies nicht wirklich tun. Die ihr altes Leben, so gut es ging, nach Deutschland herübertransportiert haben, darauf bedacht, dass nichts zerbricht, auseinanderfällt
 – wobei damit nicht Möbel, nicht konkrete Gegenstände gemeint sind, sondern umso mehr Bräuche, Traditionen, der Alltag, die Religion, die Lebensart an sich. Die ihr altes Leben einfach aus Palästina, der Türkei, Russland oder dem Libanon nach beispielsweise Berlin-Neukölln, München-Hasenbergl, Köln-Kalk, Hamburg-Billstedt verpflanzt haben. Die ihr Leben hier weiterleben, so als wären sie noch dort, nur dass die Umgebung jetzt eine andere, die politische Situation ungefährlicher und stabiler, die wirtschaftliche unproblematischer ist. Sie kapseln sich ab, vielleicht nicht vordergründig, um sich abzukapseln, sondern einfach, weil ihr Leben, an dem sie so sehr festhalten, so anders ist, dass es sich nur in dieser Kapsel leben lässt.
    Und das geht nicht. Da sind die Sarrazins dieses Landes und ich uns ausnahmsweise sogar einig.
    Nein, die meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben nicht in einer solchen Kapsel, auch nicht die meisten Muslime oder Araber oder das Gros irgendeiner anderen ethnischen Gruppe, die man gerade zum Sündenbock auserkoren hat. Ich kenne hochgebildete Russen und Ukrainer, die von sich offen und ohne jegliche Scham sagen würden, dass Deutschland sie nicht interessiert, die zu russischsprachigen Ärzten gehen, russischsprachiges Fernsehen schauen, russischsprachige Zeitungen und Bücher lesen, nicht wissen, wer unser Bundespräsident ist, wahrscheinlich noch nicht einmal, dass es einen gibt. Es auch nicht wissen wollen. Es sind nicht immer die Muslime.
    Dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist, sollte sich von selbst verstehen.
    Wer in diesem Land lebt, muss ein gewisses Fünkchen Interesse daran mitbringen. Eine Bereitschaft, es samt seiner Menschen kennenzulernen. Und wenn es auf der kulinarischen
Ebene beginnt: einfach mal Grünkohl

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