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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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probieren (es muss ja nicht der Schweinsbraten sein). Wer in diesem Land lebt, der muss sich in erster Linie im Klaren darüber sein, dass er es tut. So banal ist das. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man nicht mehr im Land seiner Herkunft lebt, sondern in einem Land mit anderen Bräuchen, anderen Sitten, einer anderen Sprache, einer anderen Kultur. Und dafür muss man in seinem Gepäck Interesse mitbringen. Man muss nicht seine alte Kultur gegen diese neue eintauschen, so wie man eine Winter- gegen eine Sommerjacke tauscht. Man muss sie noch nicht einmal mögen. Man muss aber dazu bereit sein, sie kennenzulernen und zu akzeptieren, dass es Lebensweisen abseits der eigenen gibt. Das wiederum funktioniert nur, wenn beide Seiten so denken. Das Interesse, die Akzeptanz des jeweils Anderen, Fremden, die Bereitschaft, anderen Mentalitäten zu begegnen. Dies alles ist Pflicht für jene, die in diesem Land leben wollen.
    So genannte Parallelwelten werden meist mit Wohnghettos in Zusammenhang gebracht, auch damit gleichgesetzt. Eine Stadt, die Politiker, die sie regieren, können einer solchen Ghettobildung entgegenwirken. München zum Beispiel, das mit 23,4 Prozent rein statistisch einen höheren Ausländeranteil hat als Berlin, sogar als Berlin-Neukölln, hat im Vergleich zu anderen Städten weitgehend erfolgreich verhindert, dass richtige Ghettos entstanden sind. Das hat natürlich auch mit München als Stadt zu tun, damit, dass sie als wirtschaftlicher Anziehungspunkt viele hochgebildete, leistungsorientierte Zuwanderer anlockt. Es hat aber auch damit zu tun, dass man darauf geachtet hat, dass der Wohnungsmarkt in den Stadtteilen, die sich der Gefahr einer möglichen Ghettoisierung ausgesetzt sahen, zu je gleichen Teilen aus frei finanzierten Mietwohnungen, Eigentumswohnungen sowie
aus sozialem Wohnungsbau bestehen. Neben solchen politischen Maßnahmen sind aber auch die so genannten Ghettobewohner selbst in der Pflicht, sich – auf einer emotionalen, auf einer lebensnahen Ebene – zu öffnen.
    Indem sie ihre Häuser, ihre Herzen, ihr Leben ihnen fremden Menschen – den Deutschen – öffnen.
    Sich zu öffnen kann für den Einzelnen leichter sein, als man denken mag. Am einfachsten kann es durch Kinder geschehen, die Kindergärten oder Schulen besuchen und dort mit deutschen Kinderliedern, Bräuchen, Festen etc. konfrontiert werden. Bringt man dem, was die eigenen Kinder und Enkelkinder erleben und leben, ein Interesse entgegen, bringt man zwangsweise auch Deutschland ein Interesse entgegen und lernt es ein bisschen kennen. Das, was man kennenlernt, muss man nicht als Leitkultur übernehmen, man muss nicht die eigene dagegen austauschen. Man muss aber bereit sein, hier Erfahrungen zu machen, neugierig zu sein auf die Menschen, mit denen, neben denen man lebt. Das kann auch eine Herausforderung sein, weil Kinder nun einmal nicht nur Kinderlieder und selbst gebastelte Laternen mit nachhause bringen, sondern auch Wünsche, Forderungen, die möglicherweise dem widersprechen, was ihre Familien ihr ganzes Leben lang gelebt haben. Dem zu begegnen, erfordert einen gewissen Lernprozess seitens der Eltern, auf den sie sich aber einlassen müssen, schließlich haben die Eltern die Auswanderung häufig auch um ihrer Kinder willen gewagt. In der Auseinandersetzung mit den eigenen Kindern und deren Wünschen, Erlebnissen, deren Selbstfindung in Deutschland, zwischen der Kultur des Elternhauses und der der Außenwelt, wie sie sie zum Beispiel in der Schule kennenlernen, können die Migranten-Eltern selbst lernen, sich in einem neuen Lebenskonstrukt zurechtzufinden. Indem sie versuchen, ihr mitgebrachtes
Leben mit dem Leben in diesem Land zu vereinen. Das bedeutet nicht, dass ein Vater, der von seinen Töchtern traditionellerweise erwartet, dass sie sich nur komplett bedeckt in die Öffentlichkeit begeben, nun plötzlich Geld für freizügige Bikinis spendieren muss. Es bedeutet aber, dass er seinen Töchtern, wenn sie dies denn wollen, einen Weg ermöglichen muss, Teil dieses neuen Lebens zu sein – also zum Beispiel Freunde außerhalb der Schule zu treffen. Dieser Lernprozess und das Finden von Kompromissen, sich überhaupt erst einmal die Notwendigkeit einzugestehen, dass man nicht komplett an Deutschland vorbeileben kann, ist unabdingbar.
    Dass damit eine Akzeptanz des Grundgesetzes als der Grundlage

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